Die Reise in den Nano-Wald

Kohlenstoff-Nanoröhrchen sollen künftig in zahlreichen Produkten verwendet werden - die Forschung verspricht sich viel von ihnen.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Katherine Bourzac
  • Niels Boeing

Kohlenstoff-Nanoröhrchen sind belastbarer als Stahlträger und leitfähiger als Kupferkabel. Aus großflächigen Kolonien dieser Röhrchen wollen Wissenschaftler jetzt neue Energiespeicher, Displays oder Sensoren machen. Doch die gezielt gezüchteten Nano-Wälder sind nicht nur nützlich, sondern auch verblüffend schön, wie Technology Review in seiner soeben erschienenen Juni-Ausgabe (und in dieser Bilderstrecke) zeigt. Das Heft kann man portokostenfrei online hier bestellen.

Die Reise in den Nano-Wald (5 Bilder)

Katalysatormuster aus schmalen, langen Bändern bringen blattartige Strukturen hervor, die sich ab einer bestimmten Höhe zur Seite neigen. Deren Stabilität hängt von verschiedenen Faktoren ab: von der anfänglichen Aktivität des Katalysators, von der Dichte der Nanoröhren und ihren zwischenmolekularen Kräften, aber auch vom Abstand der Ausgangsflächen. Liegen sie dicht beieinander, wird der Nachschub an Kohlenstoffatomen unregelmäßig, sodass nicht alle Strukturen gleich hoch wachsen. Dem kann man begegnen, indem man den Partialdruck von Argon im einströmenden Gas erhöht.

Seit Langem gelten Kohlenstoff-Nanoröhren als das künftige Wundermaterial der Nanotechnik. Denn die Röhrenmoleküle, deren Wände aus in Sechsecken angeordneten Kohlenstoffatomen bestehen, vereinen bestechende Eigenschaften: Sie sind belastbarer als Stahl, leiten Strom und Wärme besser als jedes andere Material und können, je nach Ausrichtung der atomaren Sechsecke, auch als Halbleiter dienen.

Während man früher aus einzelnen Nanoröhren Prototypen für Transistoren, Antennen oder molekulare Waagen konstruiert hat, interessieren sich Forscher jetzt auch für „Nanotube-Wälder“. Sie bestehen aus unzähligen parallel aufragenden Röhren, die hauchdünne Filme bilden: Als hervorragende Wärmeleiter könnten solche Wälder Wärme von Computerchips ableiten. Die Tatsache, dass unter Spannung stehende Nanoröhren ab einem gewissen Schwellwert aus ihren Spitzen Elektronen emittieren, lässt sich für neue, ultraflache Displays nutzen. Nanotube-Wälder könnten auch als Sensoren für hindurchströmende Gase dienen, indem man die Veränderung der Leitfähigkeit misst, wenn Gasmoleküle an den Röhren anhaften. Ein weiterer Ansatz experimentiert mit hocheffizienten Kondensatorfilmen aus Nanoröhren für neue Stromspeicher.

All diese Konzepte werden jedoch nur wirtschaftlich nutzbar sein, wenn sich Wachstum und Struktur der Nanotube-Wälder möglichst exakt kontrollieren lassen. Deshalb untersuchen Forscher wie Anastasios John Hart von der University of Michigan die Bedingungen, unter denen Nanoröhrenmatten unterschiedliche Formen annehmen. Deren Herstellung geschieht mittels der sogenannten chemischen Dampfablagerung. Zunächst wird auf einem Siliziumsubstrat eine wenige Nanometer dicke Schicht aus Eisen-Aluminiumoxid aufgebracht. Nun wird in die auf 750 Grad Celsius aufgeheizte Versuchskammer ein Gasgemisch aus Wasserstoff, Argon und Ethylen (C2H4, Ethen) oder Acetylen (C2H2, Ethin) eingeleitet. Das Eisen-Aluminiumoxid wirkt nun als Katalysator: Die Kohlenstoff-Wasserstoff-Bindungen in den organischen Molekülen brechen auf, und die ersten Kohlenstoffatome lagern sich auf der Katalysatorschicht ab. Auf diesen wachsen dann immer mehr Kohlenstoffatome in der charakteristischen Sechseck-Anordnung zu Nanoröhren auf – innerhalb von 15 Minuten bis zu einen Millimeter hoch.

Das klingt nach wenig: Bei einem Durchmesser von fünf bis acht Nanometern sind die Röhren jedoch bis zu 200000 Mal länger als dick. Zum Vergleich: Ein Wolkenkratzer von der Grundfläche des Empire State Buildings in New York würde beim selben Verhältnis von Länge zu Durchmesser 18000 Kilometer in den Weltraum ragen.

Die Elektronenmikroskop-Aufnahmen, die Hart und seine Kollegen von verschiedenen Nanotube-Strukturen gemacht haben, erinnern stark an Kunst. Die Assoziation ist nicht ganz falsch: Wenn die Forscher die Versuchsbedingungen variieren, die zu den unterschiedlichen Formen führen, kommt dabei noch eher Kunsthandwerk heraus als exakte Wissenschaft. (bsc)