Didacta-Verband: Digitalisierung mildert langfristig Belastung der Lehrkräfte

5 Tage lang soll es auf der Didacta um die Bildung der Zukunft gehen. Der Didacta-Verband wünscht sich verlässliche Finanzierungen und Updates für die Lehre.

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(Bild: zhu difeng/ Shutterstock.com)

Lesezeit: 7 Min.

Der Didacta-Verband machte schon früh in diesem Jahr klar, was die Bildungsbranche momentan besonders umtreibt: die Digitalisierung. Einerseits würden digitale Tools und KI-basierte Anwendungen große Chancen bieten – auch etwa, um Fachkräfte zu entlasten. Andererseits hätten die neuen Angebote "starke Auswirkungen auf administrative und finanzielle Aspekte des Bildungssektors". Die am 20. Februar in Köln startende Didacta findet unter dem Motto "Bildung mit Zukunft – Jetzt gestalten!" statt.

Der Präsident des Didacta-Verbands, Dr. Theodor Niehaus, antwortet für heise online auf fünf aktuelle Fragen zum deutschen Bildungssystem; also auf Fragen zum Digitalpakt Schule und Digitalpakt 2.0, zur Künstlichen Intelligenz im Bildungswesen, den Pisa-Ergebnissen, dem Startchancen-Programm und Lehrkräftemangel.

Dr. Theodor Niehaus, Präsident des Didacta-Verband

(Bild: 

Thomas B. Jones

)

Dr. Theodor Niehaus ist Experte für die berufliche Bildung in Deutschland und im Ausland. Der promovierte Ingenieur ist seit rund 30 Jahren in der Bildungsbranche tätig, vor allem im Bereich der Lehr- und Lernmittel für die berufliche Bildung. Niehaus war Vorstand der Festo Didactic SE und Gründer von WorldSkills Germany.

Die Bundesregierung hatte in ihrem Koalitionsvertrag einen Digitalpakt 2.0 versprochen. Ob er wirklich kommt und wie er dann gestaltet sein wird, ist – speziell nach dem Haushaltsurteil – noch nicht klar. Warum wäre ein Digitalpakt 2.0 wichtig?

Im europäischen Vergleich ist die Digitalisierung der Schulen in diesem Land verspätet und zu langsam angelaufen. Wir müssen hier an Tempo zulegen, um die junge Generation zukunftsfähig zu halten. Die Digitalisierung der Schulen kann nicht nur dazu beitragen, Kindern und Jugendlichen den adäquaten Umgang mit neuen Medien beizubringen. Digitale Tools können Lernen und Lehren individueller und zielgerichteter gestalten. Durch vereinfachte Kommunikation und administrative Unterstützung sparen Lehrkräfte Zeit, die sie wiederum für individuelle Förderung der zunehmend heterogenen Schülerschaft verwenden können. Insofern trägt die Digitalisierung langfristig auch dazu bei, die Belastung der Lehrkräfte zu mildern.

Was hat der erste Digitalpakt Schule aus Ihrer Sicht geschafft und welche Aspekte der Digitalisierung der Schulen konnte er nicht abdecken oder bedienen? Was bedeutet das für einen Digitalpakt 2.0?

Aus unserer Sicht muss eine Verstetigung der existierenden Strukturen geschaffen werden. Bisher wurden in den Bereichen Infrastruktur und Endgeräte-Ausstattung sowie bei Supportleistungen am meisten erreicht. Auch neue Lerninhalte sind teilweise auf den Weg gebracht.

Nun müssen die bereitgestellten Optionen noch besser genutzt werden. Nicht nur die Vereinfachung der Antragstellung im Förderprogramm, nicht nur die Bewilligung einzelner Projekte, muss das Ziel sein. Die Schulen brauchen vor allem Planungssicherheit und damit dauerhafte Mittel, um die bereits existierenden Lösungen effektiv zu nutzen. Service und Austausch der Geräte, Fortbildungen für Lehrkräfte und Administration der Infrastruktur müssen gesichert sein.

Künstliche Intelligenz ist unter anderem durch ChatGPT ein riesiges Thema für den Bildungssektor geworden. Was verändert die Verfügbarkeit von KI in Bezug auf Schulen?

KI bietet große Potenziale im Bildungsprozess. Wir stecken hier immer noch in den Anfängen und müssen Abschied nehmen von gewissen Leistungserhebungen wie dem klassischen Hausaufsatz. Wenn man nicht mehr klar erkennen kann, von wem eine bestimmte Leistung erbracht wurde, vom Schüler oder von der KI, müssen sich bestimmte Aufgaben und Prüfungsformate ändern. Gleichzeitig kann man Kinder und Jugendliche mithilfe von KI durchaus einen Text erstellen lassen und diesen mit ihnen gemeinsam auf Fehler oder Ungenauigkeiten hin prüfen. So werden die digitalen Fähigkeiten gestärkt.

Durch eine individuelle Analyse des Lernverhaltens von Schülern durch eine KI können personalisierte Lehrpläne erstellt werden. So wird eine individuelle Förderung möglich. Weiterhin verspricht KI womöglich auch Entlastung für Lehrkräfte, wenn sich damit kurze Abfragen korrigieren oder Unterrichtseinheiten vorbereiten lassen.

Die jüngsten Pisa-Ergebnisse haben erneut infrage gestellt, wie in Deutschland gelehrt und gelernt wird. Ist das Startchancen-Programm eine gute Antwort auf schlechte Pisa-Ergebnisse? Was braucht es noch an Veränderungen? Geht beispielsweise Bayern nun den richtigen Weg, indem in den Grundschulen mehr Deutsch und Mathematik unterrichtet werden soll?

Das Startchancen-Programm soll es Kindern aus sozialen Brennpunkten ermöglichen, bessere Bildungschancen zu erhalten. Dass die Gelder nach Sozialindex verteilt werden, ist gut, denn hier werden sie besonders gebraucht. Das Programm erreicht dennoch nur rund zehn Prozent aller Schülerinnen und Schüler. Die Defizite im Lesen, Schreiben und Rechnen betreffen aber laut der aktuellen Pisa-Studie durchschnittlich ein Viertel der Jugendlichen. Das Startchancen-Programm kann hier nicht das Allheilmittel sein.

Um die Bildung unserer Kinder zu verbessern, müssen wir schon in der Frühen Bildung ansetzen: Kitas leisten einen immensen Beitrag, schon den Jüngsten die Welt und ihre Zusammenhänge zu erklären. Sprachkompetenz und Zahlenverständnis entwickeln sich schon in den ersten Lebensjahren und können in Kitas individuell gefördert werden.

Die finanzielle und materielle Ausstattung der Schulen sowie der Universitäten, an denen Lehramt studiert wird, muss sich erheblich verbessern. Schließlich gilt es auch, den Lehrkräftemangel durch verschiedene Maßnahmen zu mildern.

Welche Antwort müsste die Politik auf den zunehmenden Fachkräftemangel in den Schulen geben? Welche Maßnahmen schlagen Sie vor, um mehr Menschen für den Lehrberuf zu gewinnen?

Die finanzielle und materielle Ausstattung der Universitäten war für das Lehramt lange Zeit mangelhaft. Es müssen mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden, um eine zeitgemäße Ausbildung zu sichern. Die Inhalte in der Lehrkräfteausbildung müssen sich stärker an den Realitäten der modernen Welt orientieren und neben neuen Lehrmethoden auch Themen wie beispielsweise Digitalisierung, ökonomische Bildung und nachhaltige Entwicklung beinhalten. Mehr Praxisbezug schon zu Beginn des Studiums ist ebenso bedeutsam.

Quer- und Seiteneinsteigern kann durch Zusatzqualifikationen und umfassende didaktische Erfahrungsmöglichkeiten der Zugang zum Lehrberuf ermöglicht werden. Darüber hinaus sollte die Ausbildung zur Lehrkraft in ein Fort- und Weiterbildungsprogramm integriert sein, das mit einer regelmäßigen Evaluation verbunden ist. So kann die gleichbleibend hohe Qualität der Fachkräfte gesichert werden.
Mehr Flexibilität im Beruf – beispielsweise weiterhin Teilzeit zu ermöglichen –, mehr Entscheidungsfreiheit und die Entlastung von Organisations- und Verwaltungsaufgaben sind weitere Punkte, die den Lehrerberuf wieder attraktiver machen können. Auch gute Beiträge, die für ein positives Image der Bildungsbranche sorgen, werden dazu beitragen, die Attraktivität der Branche und damit des Lehrerberufes zu steigern.

Die Didacta gastiert in diesem Jahr vom 20. bis zum 24. Februar in Köln. Das nordrhein-westfälische Schulministerium hat die Schirmherrschaft übernommen, Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidenten Hendrik Wüst eröffnet die Messe. Auf der Didacta werden Angebote sowohl zur schulischen als auch außerschulischen Bildung gezeigt. Zudem umspannt die Messe die frühkindliche Bildung bis zur akademischen Laufbahn. Laut Didacta-Verband ist E-Learning und das digitale Lernen mittlerweile allgegenwärtig. Es sollen praxisorientierte Lösungen und Impulse rund um das Lehren und Lernen mit digitalen Medien vorgestellt werden.

Im kommenden Jahr geht es für die Didacta wieder nach Stuttgart. 2023 brachte heise online unter anderem diese Artikel von der Didacta mit:

(kbe)