Der Schatz vor der Küste

Japan will Erdgas aus Methanhydraten in der Tiefsee fördern. Es könnte das erste Land werden, das diese neue Offshore-Energiequelle anzapft.

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Von
  • Martin LaMonica
  • Narayanan Suresh

Japan will Erdgas aus Methanhydraten in der Tiefsee fördern. Es könnte das erste Land werden, das diese neue Offshore-Energiequelle anzapft.

Kaum ein Industrieland ist so abhängig von Rohstoffimporten wie Japan. War es vor der Reaktorkatastrophe von Fukushima noch Uran, sind es nun, nach der vorläufigen Abschaltung sämtlicher Kernkraftwerke, zuerst fossile Energieträger, von denen die Wirtschaft des Inselstaats abhängt. Nun schickt sich Japan an, diese Abhängigkeit zu durchbrechen: Es hat mit den ersten Tests begonnen, aus Methanhydraten am Grunde der Tiefsee Erdgas zu gewinnen.

Methanhydrate, ein gefrorenes Gemisch aus Erdgas und Wasser, lagern in Tiefen zwischen 500 und 1000 Metern in fast allen Weltmeeren – unter anderem vor den Küsten Japans. Ihr Erdgasgehalt ist 35 Prozent höher als der unterirdischer Lagerstätten. Die Vorkommen in japanischen Gewässern könnten das Land möglicherweise für 100 Jahre mit Erdgas versorgen.

Laut der Japan Oil, Gas and Metals National Corporation (JOGMEC) würden allein die Vorkommen im östlichen Nankai-Becken, südlich von Yokohama und Tokio, Gasimporte für elf Jahre überflüssig machen. Dort hat die JOGMEC mit den Fördertests begonnen.

„Wenn man japanische Wissenschaftler trifft, die daran arbeiten, spürt man sofort die Dringlichkeit, mit der sie eine nationale Kraftstoffquelle erschließen wollen“, sagt Carolyn Ruppel, Leiterin des Gashydrate-Projekts des Geologischen Dienstes der USA (USGS). Die Tests seien „ein enorm bedeutender Meilenstein“.

Die JOGMEC schätzt, dass ein kommerzieller Abbau technisch gesehen ab 2019 beginnen könnte. Unklar ist aber, ob er auch wirtschaftlich und ökologisch verantwortlich machbar ist. „Das ist alles noch in der Erforschungs- und Entwicklungsphase“, sagt Ruppel.

Um das Methan aus den weißlichen Eisbrocken zu gewinnen, muss man es irgendwie aus der gitterartigen Struktur des Wassereises herauslösen - entweder, indem man den Druck senkt oder die Temperatur erhöht. In den japanischen Tests setzen die Ingenieure auf das erstere Verfahren. Hierzu bohren sie ein Methanhydrat-Vorkommen an und pumpen Wasser heraus, wodurch sich der Druck in der Lagerstätte senkt. Folge: Das Methan entweicht aus dem Gemisch.

In einem anderen Verfahren wird Dampf in die Bohrung eingeleitet, um das Ausströmen von Methan anzuregen. Allerdings benötigt man hierfür viel Energie, und die Ausbeute ist nicht so hoch wie bei der Drucksenkung. „Am meisten kann man mit der Drucksenkung herausholen, kombiniert mit einer periodischen Zuführung von Wärme“, sagt Ray Boswell, Gashydrat-Experte vom National Energy Technology Laboratory in Colorado.

Vor kurzem haben Boswell und Kollegen Daten aus einem Test in einer Permafrost-Lagerstätte in der North Slope von Alaska vorgestellt. Sie leiteten Kohlendioxid in die Bohrung ein, dass das leichtere Methan aus dem Hydrat verdrängt. So konnten sie sechs Wochen lang kontinuierlich Methan fördern. An dem Versuch beteiligt waren die JOGMEC und der Ölkonzern ConocoPhilips. Wie genau der Austausch von Kohlendioxid und Methan ablaufe, wie schnell und wie effizient, sei noch nicht abschließend erforscht, sagt Boswell.

Zudem ist unklar, welche Gefahren für die Umwelt die Methanförderung aus Gashydraten birgt. Einige Forscher befürchten, dass sich die geologischen Bedingungen ändern, wenn man das Erdgas aus den Lagerstätten herauslöst. Möglich ist, dass dadurch Sedimentschichten in sich zusammenfallen oder sich die Topographie des Meeresbodens ändert. Die japanischen Tests sollen deshalb auch neue Erkenntnisse über die ökologischen Risiken bringen.

Ein weiterer Haken: Methan ist selbst ein sehr wirksames Treibhausgas, kurzfristig wesentlich wirksamer als CO2. So wie aus unterirdischen Lagerstätten immer wieder Methan in die Atmosphäre entweicht, ist dies auch bei Gashydrat-Vorkommen nicht auszuschließen. Allerdings sei es weniger riskant, diese anzubohren, sagt Boswell. Denn sobald man das Einpumpen von Kohlendioxid oder Wärme stoppe, ströme das Gas nicht mehr aus den Hydratklumpen heraus.

Neben solchen Bedenken sind noch Fragen zur Wirtschaftlichkeit und zur Logistik offen. Experten gehen davon aus, dass der Abbau in arktischen Lagerstätten beginnen wird, weil dort schon eine Infrastruktur für Bohrungen vorhanden ist. Für die Offshore-Lagerstätten, etwa vor Japans Küsten, gebe es hingegen noch keine Pipelines, sagt Carolyn Ruppel. Bevor Ölfirmen hier investieren, seien erst Tests nötig, die mehrere Monate dauern. Und solche Tests seien teuer.

Allerdings ist der Erdgaspreis in Japan sehr hoch: Die Standardeinheit mmBTU, rund 26,4 Kubikmeter, kostet derzeit 16 Dollar, in den USA hingegen – dank des Fracking-Booms – nur 3,50 Dollar. Von daher könnte sich ein Methanhydrat-Abbau in Japan eher rechnen. „Nimmt man noch die beachtliche Förderung des japanischen Gashydrat-Programms hinzu, ist es sehr wahrscheinlich, dass Japan als erstes Land mit der kommerziellen Gewinnung von Erdgas aus Offshore-Hydraten startet“, erwarte Carolyn Koh vom Mines Center for Hydrate Research in Colorado. (nbo)