Daimler-Beteiligung Turo gibt privates Carsharing in Deutschland auf

Nach lokalen Anbietern hat auch das gut finanzierte US-Startup Turo die Privatauto-Vermittlung eingestellt. Teilen scheint nur kommerziell zu funktionieren.

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Daimler-Beteiligung Turo gibt privates Carsharing in Deutschland auf

(Bild: ddisq/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Sascha Mattke
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Da waren es nur noch zwei: „Wir haben die sehr schwierige Entscheidung getroffen, den Peer-to-Peer-Marktplatz von Turo in Deutschland mit Wirkung von heute einzustellen“, schrieb Anfang April Andre Haddad, CEO des privaten Carsharing-Anbieters Turo, an seine Kunden. Das Start-up mit Sitz in den USA sei tieftraurig über den Abschied vom deutschen Markt, müsse aber jetzt bedeutende Präventiv-Maßnahmen ergreifen, um die langfristige Gesundheit seines globalen Geschäfts zu sichern.

Begründet wurde der Schritt mit der Coronavirus-Pandemie. Wie alle Reise- und Mobilitätsanbieter sei Turo von den damit einhergehenden Einschränkungen betroffen. Tatsächlich kommt das Stichwort „teilen“, das beim Start von Turo in Deutschland vor gut zwei Jahren noch einen zukunftsträchtigen Klang hatte, im aktuellen Virus-Umfeld wohl nicht gut an. Aber tatsächlich war bei Turo in Deutschland von Anfang an bis zum Ende nur wenig Aktivität zu beobachten – und auch bei anderen Anbietern scheint die private Carsharing-Zukunft weiter auf sich warten zu lassen.

Beim Start im Januar 2018 hatte Turo noch das Ziel ausgegeben, bis Ende des Jahres Marktführer beim P2P-Autoteilen in Deutschland zu werden. Das schien realistisch, denn zum einen begann bei den Vermittler-Plattformen schon damals eine Konsolidierung, die Vorteile für große Anbieter versprach. Turo bezeichnete sich zu der Zeit mit 4 Millionen Kunden und 170.000 Fahrzeugen als US-Marktführer. Zudem bekam das Unternehmen eine Finanzspritze im hohen zweistelligen Millionen-Bereich von der Daimler Mobility Services, die im Zuge der Transaktion ihre noch junge deutsche Sharing-Plattform Crove in Turo einbrachte.

In Schwung kam Turo in Deutschland dem Anschein nach trotzdem nie. Wie das Geschäft wirklich lief, dazu wollten jetzt auf Anfrage weder der Sprecher des US-Unternehmens noch Daimler Mobility Auskunft geben, und auch zwischendurch wurden nie aktuelle Zahlen gemeldet. Aber Miet-Kunden, wenn es sie denn gab, klagten nach dem Start monatelang über Schwierigkeiten bei der Registrierung als Fahrer, und vom deutschsprachigen Support bekamen sie häufig keine Rückmeldung.

Die Zahl der über Turo angebotenen Autos nahm zwar zwischendurch stark zu, nicht aber die der Vermietungen. In Hannover zum Beispiel war das vom Autor dieses Artikels über Turo angebotene Fahrzeug noch im Jahr 2019 eine Zeitlang das nahezu einzige, für das überhaupt schon Fahrten angezeigt wurden. Und die Interessenten kamen nicht etwa direkt über Turo zu dem Angebot, sondern wurden vorher über andere Kanäle darüber informiert.

So war es wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis Turo in Deutschland den Stecker ziehen würde. Denn dass das Auto-Teilen so schnell nicht in Gang kam, bekamen auch andere Anbieter zu spüren. Beim Start 2018 gab insgesamt drei bundesweite Plattformen für P2P-Sharing von Autos: neben Turo noch Drivy, das durch die Übernahme eines lokalen Start-ups nach Deutschland gekommen war, und Snappcar; mit Getaway war zudem kurz zuvor ein neuer Anbieter gestartet, der ebenfalls ganz Deutschland bedienen wollte.

Und heute? Turo hat aufgegeben, von Getaway gibt es zwar noch eine Homepage und Sozialmedien-Präsenzen, aber der Link zu der App, ohne die weder das Einstellen noch das Buchen von Autos möglich ist, geht ins Leere. Drivy existiert als Marke ebenfalls nicht mehr, denn die Plattform wurde vor einem Jahr von dem US-Anbieter Getaround übernommen. Einziger Sharing-Überlebender unter altem Namen ist damit Snappcar, das selbst mittels einer Übernahme im Jahr 2017 auf den deutschen Markt gekommen war.

Die Probleme bei den Vermittlern privater Autos bedeuten allerdings nicht, dass Carsharing in Deutschland seine Zukunft schon komplett hinter sich hätte. Selbst Turo will laut der Mitteilung weitermachen, nur nicht mehr mit Fahrzeugen von Privatanbietern, sondern von kommerziellen. Auch Snappcar erlaubte schon 2018 die Teilnahme von Profi-Vermietern. Gleichzeitig meldeten andere Carsharing-Dienste, die statt mit fremden mit eigenen Flotten arbeiten, Jahr für Jahr weiteres Wachstum auf zuletzt 25.000 Fahrzeuge bundesweit bei 2,3 Millionen angemeldeten Kunden.

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Bei diesen Flotten-Anbietern noch von „Teilen“ zu sprechen, ist ungefähr so passend, wie wenn man eine Hotelkette als „Roomsharing“-Unternehmen bezeichnen würde. Aber sie kommen an – und mit Daimler Mobility Services ist unter der Marke Share Now (zusammen mit BMW) auch einer der Turo-Anteilseigner in diesem Markt aktiv. Zur aktuellen Bewertung der US-Beteiligung wollte ein Daimler-Sprecher keine Angaben machen; eine mögliche Zusammenlegung mit Turo ist nach seinen Worten nicht geplant. Und CEO Haddad schrieb in seinem P2P-Abschiedsbrief zwar davon, dass Turo nach der Corona-Krise wieder durchstarten wolle, erwähnte dazu aber als Länder nur die USA, Kanada und Großbritannien.

(sma)