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Im Test: Der große Skoda Superb mit kleinem Diesel

Fondstark

Fahrberichte Martin Franz
Skoda

Großes Auto, kleine Maschine: Eine Kombination, die nicht nach Fahrspaß klingt. Doch der Skoda Superb fährt sich auch mit dem 1,6 TDI ordentlich, sofern die Prioritäten richtig gesetzt sind

München, 23. Oktober 2015 – Was sagt die lieferbare Farbauswahl über ein Auto aus? Nicht viel, möchte man auf den ersten Blick meinen. Oder doch? Beim VW Passat ist diesseits teurer Individuallackierungen das verrückteste ein blasses Blau, beim BMW 5er ist das Angebot noch trostloser. Skoda versucht sich auch in dieser Hinsicht als Anti-Biedermann und bietet den Superb in zwölf mehr oder minder kräftigen Farben an. Im Falle des Testwagens ist das ein gewöhnungsbedürftiges, aber irgendwie auch erfrischendes Rot. Nicht nur an diesem Punkt wird deutlich, dass nur Unwissende Skoda die temporär etwas muffige Vergangenheit noch immer vorhalten. Ihnen entgeht so aber möglicherweise ein Auto, das zielsicher auf seine Käuferschaft zugeschnitten ist. Unterwegs mit einem Wagen, der innen größer scheint als außen.

Kein Pummelchen mehr

Die neue Superb Limousine hat die optische Pummeligkeit des Vorgängers abgelegt. Hierzulande mochten sich in der Vergangenheit kaum zehn Prozent der Superb-Käufer mit dem Design der Limousinen anfreunden, der Kombi war seit seinem Erscheinen im Jahr 2010 dominierend. Der Nachfolger hat zumindest optisch die Chance, diesen gewaltigen Unterschied etwas kleiner zu machen. Die C-Säule auch hier sehr breit, was die Rundumsicht empfindlich stört.

An der großen Klappe hat Skoda festgehalten, auch wenn hier kräftig entfeinert wurde. Beim alten Modell konnte wahlweise ein kleiner Deckel oder die ganze Heckklappe geöffnet werden. Die aufwendige Mechanik spart sich Skoda beim aktuellen Modell, hier muss stets die ganze Heckklappe geöffnet werden. Gegen Aufpreis öffnet sie auch elektrisch – aus unserer Sicht verzichtbar. Der Raum, der sich dahinter öffnet, ist gewaltig. Auch wenn bei der Werksangabe von 625 Litern der Raum unter dem Kofferraumboden mitgezählt wurde: Selbst neben einem voluminösen Kinderwagen, mit dem beispielsweise der Kofferraum eines Opel Insignia Sports Tourer auf einmal ziemlich kompakt wirkt, hat im Superb noch Gepäck Platz.

Hinten ein König

Der eigentliche Knüller an dem Auto ist jedoch das Platzangebot im Fond. Ich muss aufgrund langer Beine in fast jedem Auto den Sitz ziemlich weit zurückrücken, mit entsprechenden Folgen für den Rückbänkler. Im Superb könnte ich ohne schlechtes Gewissen einen 1,9 m Riesen auch auf einer längeren Tour hinter mir platzieren. Das klappt in dieser Form weder im Volvo V70, noch in einem T-Modell der Mercedes E-Klasse oder einem BMW 5er Touring. Dabei sind die beiden Letztgenannten länger, sowohl insgesamt wie auch zwischen den Achsen.

Wer mit vier großen Erwachsenen länger unterwegs ist, wird dieses Platzangebot ebenso zu schätzen wissen wie langbeinige Väter mit kleinen Kindern. Denn wenn die von Reboard auf Kindersitze in Fahrtrichtung wechseln, sind die Beinchen noch zu kurz, um bei den Knien nach unten zu knicken – eine Zeit, in der viele vermeintlich große Autos plötzlich seltsam eng erscheinen. Wenn Skoda nun noch etwas längere Sitzflächen einbauen würde, wäre dieser Abschnitt perfekt.

Bekannte Macken

Vorn gibt es ebenfalls viel Platz, dazu bequeme und vielfältig verstellbare Sitze. Die Kopfstützen machen einen stabilen Eindruck und lassen sich auch für große Menschen ausreichend weit nach oben rücken – leider ist das bis heute nicht in allen Neuwagen selbstverständlich. Der Arbeitsplatz des Fahrers ist größtenteils funktional eingerichtet, sieht man einmal vom zu tief platzierten Bildschirm in der Mittelkonsole und dem CD-Player im Handschuhfach ab. Beides zieht sich durch diverse Modelle des Konzerns, was die Sache nicht besser macht. Gut gefallen haben uns die großen Ablagen in der Mittelkonsole.

Um die Abteilung Multimedia werden sich die Kollegen von Techstage intensiv kümmern, daher hier nur eine kurze Zusammenfassung: Die Bedienung gelingt trotz großer Funktionsvielfalt intuitiv, die Touchscreen reagiert sehr flink auf Eingaben. Das verglichen mit anderen Herstellern recht preiswerte Soundsystem von Canton tönt insgesamt sehr ordentlich, auch wenn es bei tiefen Frequenzen etwas mehr Strahlkraft zeigen könnte. Was uns nicht gefallen hat: Auch dem teuersten Navigationssystem fehlt eine Echtzeit-Verkehrsinformation. Angesichts von zahlreichen, kostenlosen Navi-Apps, die das schon länger ziemlich gut beherrschen, wirkt das arg veraltet.

Der Antrieb im Testwagen ist ein altbekannter: Der 1.6 TDI leistet nur im Superb 120 PS, sonst ist er in diversen Konzernmodellen mit 110 PS angegeben. Gegenüber dem alten Superb 1.6 TDI mit 105 PS hat der Motor genau jenes Maß an Kraft zugelegt, die ihm bisher fehlte. Unverändert ist jedoch, dass die kleine Maschine mit dem großen Auto ordentlich zu tun hat. Wer der Schaltanzeige folgt, wird den Antrieb als träge empfinden. Ab ca. 1800/min geht’s aber im Rahmen seiner Möglichkeiten ausreichend flott voran. Wer den Superb als großen Gleiter versteht und an einem ausgeprägten Sprinttalent nur wenig Interesse hat, könnte hier den idealen Partner finden.

Kurz und lang

Das leicht zu betätigende Getriebe ist ungewöhnlich weit gespreizt. Der erste Gang ist mit 4,111 so kurz, dass er zu mehr als nur dem direkten Anrollen eigentlich nicht taugt. So kurz ist im Superb der erste Gang ansonsten nur noch der 150-PS-Benziner übersetzt. Auf der anderen Seite bekommt der kleine Diesel einen mit 0,592 sehr langen sechsten Gang mit auf den Weg – kein anderer Superb ist so lang übersetzt. Auf der Autobahn senkt das Geräusch und Verbrauch, nimmt dem Auto dort aber auch einiges an Schwung. Die Geräuschdämmung trennt den Superb hörbar von den schon genannten Konkurrenten: Ohne wirklich laut zu sein, bleibt der 1.6 TDI hier mit einem knurrigen Unterton stets vernehmbar. In diesem Punkt ist die ungleich teurere Gegnerschaft erheblich besser.

Wer auf Leistung verzichtet, sollte unter anderem mit einem geringen Verbrauch belohnt werden. Mit etwas Bedacht, aber nicht betont zurückhaltend bewegt, kamen wir auf 5,1 Liter, wobei der Bordcomputer 5,3 Liter suggerierte. Der Minimalrekord liegt bei 4,6 Litern. Deutlich mehr als sechs Liter braucht eigentlich nur derjenige, der es darauf anlegt. Über die gesamte Distanz waren es 5,4 Liter, was auch zeigt, dass der Superb mit diesem Motor eher zum Mitschwimmen als zum Gewinnen von Ampelduellen animiert. In Abhängigkeit der montierten Rad-Reifen-Kombination nennt Skoda im NEFZ 4 bis 4,2 Liter. Der Testwagen war mit 18-Zoll Felgen ausgestattet, die mit 235/45er Reifen von Pirelli bezogen waren. Wer mag, kann auch 19-Zoll-Alufelgen ordern.

Empfehlen würden wir das nicht. Schon mit der Kombination auf dem Testwagen ist der Superb straff abgestimmt. Das wirkt zwar gekonnt, eine weitere Verhärtung dürfte dem Auto aber viel vom komfortablen Gesamteindruck nehmen. Das von Kollegen immer wieder gelobte adaptive Fahrwerk ist erst für Motoren ab 150 PS lieferbar. Die Lenkung ist im besten Sinne unauffällig, Antriebseinflüsse kaum zu spüren.

Nicht billig, aber günstig

Dass Skoda auch in finanzieller Hinsicht jene Zeiten hinter sich gelassen hat, Autos nur über günstige Preise zu verkaufen, macht der Listenpreis des Testwagens deutlich. Umfangreich, wenn auch nicht komplett ausgestattet, kommt die Limousine mit kleinem Diesel und Schaltgetriebe auf mehr als 41.000 Euro. Fairerweise muss dabei freilich erwähnt werden, dass nicht alles, was im Testwagen verbaut war, das Vergnügen unbedingt weiter steigert. Und die Verarbeitung hinterlässt weitgehend einen Eindruck, dass der Skoda Superb sein Geld wert ist.

Andererseits sind viele Extras bei Skoda so günstig, dass ein paar Haken mehr bei der Bestellung auch nicht schlimm erscheinen. Als Beispiele für beide Aussagen seien hier nur die Ambientebeleuchtung (150 Euro) oder auch die Fahrprofilauswahl (110 Euro) genannt. Mit den gängigen Extras versehen, sollte ein Listenpreis von unter 34.000 Euro locker möglich sein. Damit ist der größte Skoda nicht billig, aber preiswert. An dieser Feststellung ändert auch nichts, dass Volkswagen der Marke bis heute einige technische Innovationen vorenthält. Dazu gehören LED-Scheinwerfer, Head-up-Display oder auch das gerade so in Mode kommende Display als Ersatz für ein Kombiinstrument mit Zeigern.


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