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Im Umbruch

Test: Peugeot 308 SW BlueHDi

Fahrberichte Florian Pillau
Peugeot 308

Peugeot bietet bereits erste Euro 6d-Motoren, etwa im überarbeiteten 308 SW. Wir fuhren ihn nach seiner in optischer Hinsicht zum Glück nicht weiter erwähnenswerten Modellpflege mit der Zweiliter-Diesel-Motorisierung

PSA war 2000 der erste Hersteller, der öffentlichkeitswirksam bei seinen Marken Peugeot und Citroën den Partikelfilter einführte (als der Wettbewerb noch ohne auskam). In diese Tradition stellt das Unternehmen nun auch den Umbruch bei der Abgasnorm. Stand heute kommen die meisten Modelle mit aktueller Norm von PSA. Für seinen beliebten Kompakten Peugeot 308 bietet das Unternehmen gleich zwei Diesel- und einen Ottomotor mit aktuell höchstmöglicher Abgasklasse. Das macht sie zukunftssicher im Hinblick auf drohende Fahrverbote in Umweltzonen.

Erhältlich sind die Antriebe im Peugeot 308 seit einer in optischer Hinsicht zum Glück nicht weiter erwähnenswerten Modellpflege. Wir fuhren den als „SW“ bezeichneten Kombi mit der Zweiliter-Diesel-Motorisierung mit 150 PS, welche die Aktualisierung ihrer Abgasklasse allerdings noch erwartet.

Peugeot hat nach einer Phase furchterregend emotionaler Kühlergrillgestaltung bei Modellen wie dem 308 zu einem ruhigen Design zurückgefunden. Das passt gut zu dem größtenteils runden Paket, das der französische Kombi darstellt. Wichtiger als die Form ist beim 308 SW den meisten ohnehin wohl schlicht das Volumen – warum sonst sollten sie einen Kombi wählen? Der 308 erreicht seinen Zuwachs auf der Basis eines mit 273 Zentimetern ungewöhnlich langen Radstands (ein VW Golf Variant hat 264 cm). Der SW ist 33 cm länger als der Fünftürer. Nur zum Vergleich: der VW Golf Variant wächst zwar nur um 31 Zentimeter, ist aber 4,7 cm länger.

Volumen durch Streckung

Die Harmonie der Linie leidet nicht unter dieser Streckung – mit den kurzen Überhängen fördert sie eher die Eleganz. Sie ermöglicht zudem einen Laderaum zwischen 610 und 1660 Litern – etwas mehr als im Golf Variant, der 605 bis 1620 Liter erreicht – aber immer noch weniger als in einem Skoda Octavia Combi [1] mit seinen 610 bis gigantischen 1740 Litern.

Praktische Zurrschienen (bei sachgerechter Benutzung und ausreichender Stabilität übrigens ein Sicherheitsplus) sind im Gegensatz zum VW Golf Variant Serie. Das große Volumen ist aufs Angenehmste nutzbar dank der „Magic-Flat“-Funktion: Die Sitzflächen bewegen sich mit dem Umlegen der Rückbanklehne nach unten, womit eine durchgehend ebene Ladefläche entsteht. Man kennt das so vom vergleichbar großen Honda Civic Tourer, der Golf Variant ist dagegen nicht so praktisch, hier entsteht wie in vielen anderen Kombis eine oft ziemlich störende Stufe. Der Opel Astra Sports Tourer [2] versteckt das Problem nur mit einem erhöhten Ladeboden – und verschenkt damit wertvolles Volumen.

Heizungsregler unter Kleinkram

Ein großes Glasdach gibt einem das heimelige Gefühl, sich in rauher Umwelt unter einer Schutzblase zu bewegen. Schade, dass man bei gutem Wetter nicht wenigstens einen Teil davon öffnen kann. Sitzplatz ist genug, auch dank des langen Radstands, die hinteren Sitzflächenlänge bewegt sich im Bereich des nötigen Minimums. Der Testwagen kam mit Ledersitzausstattung, vorn inklusive langsam ansprechender Heizung und Massagefunktion, für teure 2900 Euro. Die Tasten an der Sitzfläche für Lordosestütze, Massage und Knet-Intensität sind leicht zu finden und eindeutig bezeichnet. Geschickt versteckt hat Peugeot dagegen die Regler für die Sitzheizung am Boden eines zentralen Ablagefachs. Sie sind dort schon im leeren Auto kaum zu finden. Doch, selbst wenn man sich nach einiger Zeit mit dem 308 an ihre Position erinnert – wie erreicht man sie, wenn der Fachboden im Alltag mit Kleingeld, Parktickets, Lippenstift und Papiertaschentüchern belegt ist?

Ohne solche Extravaganzen bei der Bedienung wäre der Peugeot schon fast ein bisschen langweilig. Dass die Instrumente oberhalb des Lenkradkranzes liegen, ist ergonomisch nachvollziehbar. Die Bedienung anderer Funktionen dagegen ist bisweilen ein Rätselspiel, das nicht nur die Headunit betrifft – oder hätten Sie auf den ersten Blick vermutet, dass sich Heizung und Klimatisierung über den Bildschirm einpegeln lassen, der Einschub für CDs und der Lautstärkeregler aber dort sind, wo man die Heizungsbedienelemente suchen würde?

Erste Euro 6d-Maschinen

Kräftig, leise und sparsam – so arbeitet der Zweiliter-Diesel. Er ist zwar keine Neukonstruktion, aber mit der Modellpflege vom Ende vergangenen Jahres vom Abgas her potenziell das Aktuellste, was man zur Zeit bekommen kann. Potenziell?! Ja, leider bekommt man diesen Motor in der aktuellsten Abgasklasse vorerst nur im 308 SW BlueHDi 180. Diese Variante ist momentan exklusiv mit einer Achtstufen-Wandlerautomatik gekoppelt und erreicht zurzeit als einzige Zweiliter-Diesel-Motorisierung im 308 die Euro 6d-Temp. Einzige Selbstzünd-Alternative ist der kleinere 1,5-Liter-Motor im 308 BlueHDi 130 mit 130 PS. Oder man freundet sich mit einem Ottomotor an und kann dann den durchaus empfehlenswerten 1,2 Liter messenden Dreizylinder mit Ottopartikelfilter („GPF“, wie „Gasoline Particulate Filter“) des ebenfalls 130 PS leistenden 308 PureTech 130 ins Auge fassen, wie wir ihn im Peugeot 3008 [3] fuhren.

Eine mögliche Nebenfrage in diesem Zusammenhang könnte sein, ob PSA einige Dieselmotoren seiner neuen Marke Opel auf die neue Abgasnorm ertüchtigt oder ob man die bereits der Norm entsprechenden eigenen Aggregate einsetzen wird. Aber derlei Spekulation führt zu weit vom Thema und ist ohnehin unfruchtbar, weil Peugeot dazu noch nichts sagen will.

Ein ganz praktisches Problem in diesem Zusammenhang besteht beim gefahrenen 308 in der Nachfüllmöglichkeit für die SCR-Reaktionsflüssigkeit. Die „AdBlue“ genannte Harnstofflösung muss durch ein Loch unter dem Ladeboden eingefüllt werden. Das bedeutet zum Einen viel Arbeit und zum Anderen die Gefahr nachhaltiger Verklebung, wenn mal was daneben geht. Bei den folgenden Modellen soll der Einfüllstutzen aber außen neben dem Tankeinfüllrohr liegen.

Solide Wandlerautomaten statt billiger DKGs

Ob mit sechs Stufen von Aisin oder mit acht von ZF, die Wandlerautomaten schalten unauffällig und finden fast immer die zur Fahrsituation passende Stufe. Das modernere mit acht Stufen macht es den Ingenieuren leichter, die Verbrauchs- und Abgasvorschriften zu erfüllen – einen Unterschied in Komfort oder Fahrdynamik spürt man gewissermaßen nur bei bösem Willen. Was man dagegen fühlen kann, ist der Unterschied zu einem Doppelkupplungsgetriebe wie im vergleichbaren Golf Variant. Es kann beim Komfort nicht mithalten und wird vor allem eingebaut, um die Rendite des Herstellers zu steigern: DKGs sind günstiger zu fertigen.

Das kleine Lenkrad und eine direkte Übersetzung führen beim 308 zu ungewohnt zackigem Einlenken und dem manchmal verwirrenden Eindruck, das Auto wäre deutlich kleiner. Hardcore-Citroën-Fahrer kennen das von ID/DS, 2CV [4] und natürlich vom dafür ganz speziell berüchtigten SM. Leider fehlt es dem Peugeot allerdings ein bisschen an der Rückmeldung aus der elektrisch unterstützten Zahnstangenlenkung.

Vorn sind die über viele Fahrzeugkategorien und -größen weit verbreiteten, unteren Querlenker mit Feder-Dämpferbein als obere Führung des Achsschenkels eingebaut. Hinten ist es eine fast ebenso gebräuchliche spur- und sturzstabile Verbundlenkerachse. Eine hintere Einzelradaufhängung würde vor allem den Abrollkomfort verbessern, ist aber – abgesehen vom Ford Focus Turnier – nicht üblich im preissensiblen Segment. Ein weiteres Komforthandikap ist in diesem Bereich eine eher schwache Geräuschdämmung der Radkästen: Bei Regen rauscht's.

Feinfühlige Federung

Eine geringe Nickneigung und der gute Geradeauslauf sind zwar nicht allein auf den weiten Achsabstand zurückzuführen, profitieren aber sicher davon. Der beachtliche Restkomfort selbst bei den Niederquerschnittbereifungen beweist vor allem, dass Peugeot ein feinfühliges Ansprechen und ein hohes Schluckvermögen der Federung gelungen ist. Selbst die 40er-Flankenhöhe der Reifen auf den aufpreispflichtigen 18-Zoll-Felgen (470 Euro) schmälerte den Fahrkomfort des Testwagens nur in Maßen. Die beim „Allure“ serienmäßigen 17-Zoll-Felgen erzwingen 45er, die nicht wirklich im Vorteil sind.

Die brauchbaren LED-Scheinwerfer kosten 950 Euro Aufpreis. Der mit der Modellpflege neue Fernlichtassistent blendet allerdings bisweilen viel zu spät ab und reagiert nicht auf Ortsschilder. Offenbar ist er nicht mit dem ebenfalls neuen Navigationsgerät vernetzt und nur von einem Lichtsensor gesteuert. Man schaltet den Helfer nach einiger Zeit also aus. Eingeschaltet ließen wir dagegen Totwinkel- und Spurhalteassistent, weil sie mehr zu nutzen als zu stören schienen. Das ist nicht selbstverständlich, in einem Volvo V90 [5] beispielsweise empfanden wir letzteren als zu rechthaberisch. Auch den Müdigkeitswarner und die Frontkollisionswarnung liefen mit – konnten aber mangels gefährlicher Situationen nicht beweisen, wie gut sie möglicherweise funktionieren würden.

Komfortabel fanden wir den Abstandsregeltempomaten auf langen Autobahnetappen, wobei er auch im Stadtverkehr bis zum Stillstand funktioniert – wir fuhren ja die Automatikversion. Echte Erleichterung beim Parken bietet ein Kamerabild für eine virtuelle 360-Grad-Aufsicht. Das gab es allerdings bereits vor der Modellpflege, ebenso wie die wasser- und schmutzempfindliche Rückfahrkamera. Volkswagen begegnet dem Problem mit nur bei Bedarf ausfahrenden Kameras, andere Hersteller verwenden Wasserstrahldüsen zur Reinigung.

Ausstattungsmehrgewicht vs. Zuladung?

Der Kombi kostet 1150 Euro mehr als der vergleichbare Fünftürer. Aufs erste Hinsehen wirken die 28.550 Euro Grundpreis viel, doch ein Golf Variant TDI, ebenfalls mit 110 kW und Automatikgetriebe kostet 29.475 Euro. Beide Wettbewerber sind nur in ihren gehobenen Ausstattungen („Allure“ bzw. „Comfortline“) erhältlich. Wobei man wissen muss, dass sich Peugeots „Allure“ vom Ausstattungsumfang auf dem Niveau von VWs „Highline“, also deutlich oberhalb „Comfortline“ bewegt.

Dieser Üppigkeit steht eine vergleichsweise geringe Zuladung des Peugeot 308 SW 150 Hdi gegenüber, die nicht allein mit dem höheren Ausstattungsgewicht im Peugeot erklärbar ist. Sie liegt günstigstenfalls bei 505 Kilogramm für ein „Nacktexemplar“ bis zu mickrigen 392 kg für einen voll ausgestatteten SW, ausweislich der Angaben im Kfz-Schein. Beim Golf sind es laut technischen Daten im Katalog 607 bis 435 kg. Fast eklatant wird der Abstand bei den Anhängelasten: Der Golf Variant zieht bis zu 1800 kg, der 308 SW höchstens 1400.

Die Kosten für die Überführung wurden teilweise von Peugeot übernommen, jene für Kraftstoff komplett.


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[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Im-Test-Skoda-Octavia-RS-3878107.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Test-Opel-Astra-Sports-Tourer-1-4T-3262388.html
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/Fahrbericht-Peugeot-3008-Puretech-130-3614901.html
[4] https://www.heise.de/autos/artikel/Eigene-Wege-II-2778313.html
[5] https://www.heise.de/autos/artikel/Test-Volvo-V90-D4-AWD-3664365.html