zurück zum Artikel

Schizo-Zündung

Test: Mazda 3 Skyactiv-X 2.0 M Hybrid

Mazda Christian Lorenz
Mazda3 Skyactiv-X 2.0 M Hybrid

(Bild: Pillau)

Der neue Mazda3 ist nicht nur ein neuer Hingucker in der Golf-Klasse, sondern wird auch vom ersten serienmäßigen Benzinselbstzünder angetrieben. Wie fährt sich der in jeder Hinsicht ungewöhnliche Golf-Gegner?

In den vergangenen Jahren haben uns einige Testwagen von Mazda positiv überrascht. Sowohl der CX-5 wie auch der 6er-Kombi fuhren sich sehr angenehm – erstaunlich eigentlich, dass nicht mehr Interessenten sie auf ihrem Wunschzettel haben. Gilt das auch für den expressiv gezeichneten Mazda 3? Immerhin hat der als erster einen serienmäßigen Benziner mit Selbstzündung, auch Diesotto genannt, zu bieten. Im Test wollten wir wissen, was der Kunde davon hat.

E10-Liebhaber

Zunächst gibt der Überführungsfahrer zusammen mit dem Schlüssel für den brandneuen Mazda 3 im markentypischen Rot-Metallic den Hinweis auf den Weg, man solle tunlichst E10-Benzin tanken. Der Techniker, der ihm den Wagen am Morgen mit nahezu jungfräulichem Kilometerstand übergeben hat, habe extra darauf hingewiesen. Schon das ist ungewöhnlich, denn der E10-Kraftstoff hat ja einen geringeren Brennwert – der Verbrauch ist damit also minimal höher. Solche Kleinigkeiten untermauern, dass der Fünftürer mit dem dynamischen Buckel etwas ganz Besonderes ist. Optisch könnte ich mir den Dreier auch mit einem Alfa-Scudetto als Giulietta-Nachfolger vorstellen. Zumal das Rundheck etwas vom Alfasud hat.

Das Äußere des Golf-Gegners mag polarisieren. Vor allem die großblechige Seitenansicht gefällt mir live aber viel besser als auf den meisten Pressefotos. Der Innenraum dagegen überrascht mit einer in dieser Klasse überdurchschnittlichen Qualität. Eine edle, reduzierte Formensprache, feine Materialien und eine sehr penible Verarbeitung: Hier fühlt man sich auf Anhieb mindestens so wohl wie in manchem erheblich teureren, selbsternannten Premiumfahrzeug.

Doppelzündung

Auch Volkswagen und Daimler experimentieren schon geraume Zeit mit dem Benzinselbstzünder, der Diesotto-Technologie. Mazda hat es aber erstmals geschafft, diese Technik in Serie anzubieten. Der Vorteil gegenüber einem regulären, fremdzündenden Benziner liegt theoretisch in niedrigen Verbrauchswerten und weniger Abgasen. Zudem macht es eine vergleichsweise „saubere“ Verbrennung beim Diesotto möglich, die Abgasnachbehandlung auf ein Minimum zu beschränken. Das spart Kosten und verhindert Manipulationsmöglichkeiten.

Um einen niedrigen Verbrauch wie bei einem Diesel zu erreichen, ist ein besonders „magerer“ Betrieb notwendig. Das heißt, das Kraftstoff-Luft-Gemisch im Zylinder muss einen vergleichsweise hohen Luftanteil haben. Im Normalfall kommen 14,7 kg Luft auf 1 kg Sprit – im Mazda liegt der Luftanteil jedoch höher.

Hier liegt die Problematik, an der der Diesotto bislang immer scheiterte. Beim Benziner mit einer ähnlich hohen Verdichtung wie im Diesel gelingt zwar problemlos eine Selbstentzündung des Kraftstoff-Luft-Gemisches. Doch die muss kontrolliert ablaufen, sonst drohen kapitale Schäden. Mazda löst dieses Problem [update 29.10.19] durch ein sogenanntes homogenes Gemisch, in dem den Kraftstoffmolekülen immer genügend Reaktionspartner aus der Ansaugluft zur Verfügung stehen sollen. Dieses angestrebte Gemisch ist allerdings nie wirklich völlig homogen. Um die Kerze ist es fetter, damit sie diesen Teil entzünden kann. Die Druckwelle aus dieser Verbrennung entflammt dann den für eine Funkenzündung eigentlich unsensiblen Rest. In anderen Betriebszuständen wird die Bedingung "homogenes Gemisch" unter Umständen gar nicht erreicht. Dann läuft der Motor ganz ohne Selbstzündung nur mit der herkömmlichen Funkenzündung. Die Bezeichnung "Selbstzünder" jedoch ist wenigstens für den angestrebten Betriebsbereich immer noch berechtigt, denn ohne Selbstzündung würde es dann nicht funktionieren. [/update]

Fett um die Kerze

Kurz vor dem oberen Totpunkt wird ein zweites Mal eingespritzt. Ziel ist ein fettes Gemisch rund um die Zündkerze – ganz so, wie es bei vielen konventionellen Direkteinspritzern mit inhomogener Gemischbildung ist. Inzwischen sind viele Hersteller davon wieder abgerückt, denn die inhomogene Verteilung vergrößert den Aufwand bei der Abgasnachbehandlung. Mit dem mageren Gemischanteil im Brennraum steigt die Temperatur und damit auch der Stickoxidgehalt. Mazda hat das gut im Griff: Als einer der wenigen Autos erfüllt der 3er schon die Abgasnorm Euro 6d. Viele Konkurrenten sind noch bei der Euro 6d-Temp, die zwar für alle erstmals zugelassenen Autos erst seit September 2019 Pflicht ist, absehbar aber schon wieder obsolet: Autos mit dieser Norm müssen in der EU bis Ende nächsten Jahres erstmals zugelassen sein, ab Januar 2021 ist die Euro 6d Pflicht für alle Neuzulassungen.

Mazda verspricht einen Selbstzündungs-Magerbetriebsanteil von 80 Prozent, was eine Kraftstoff- und CO2-Einsparung von etwa 20 Prozent ermöglichen soll. Um es vorweg zu nehmen: In der Praxis gelingt das nicht. Mein Testverbrauch von 6,6 Litern ist für einen Benziner mit zwei Litern Hubraum und 180 PS zwar nicht schlecht. Aber ein VW Golf mit 1,5-Liter-ACT-TSI (Test [1]) und 150 PS bringt das mit vergleichsweise konventionellem Verbrenner ebenso gut hin.

Flüsterleise

Beim Druck auf den Startknopf des Diesotto-Mazda ist man zunächst erstaunt über die Laufruhe. Der aufwendige Motor startet flüsterleise. Hypersensible Naturen registrieren allenfalls eine ganz feine Vibration. Die „versendet“ sich aber sogleich wieder. Perfektes Losfahren erfordert ein wenig Übung, sonst gibt man entweder zu viel Gas oder lässt den Diesotto sanft sterben. Unmittelbar nach dem Anfahren verlangt die Schaltanzeige schon den nächsten Gang.

Tatsächlich bewegt man den Mazda oft bei kaum mehr als 1300 Touren. Er steckt das vibrationsfrei weg und nimmt auch in diesen niedrigen Drehzahlregionen hilfsbereit Gas an. Das ist für einen Benziner sehr erstaunlich und wirkt durchaus entspannend. Für meinen Kollegen Martin übertreibt es die Schaltpunktanzeige jedoch grundsätzlich mit ihrer Untertourigkeit. Seiner Meinung nach sind 60 km/h im sechsten Gang keine gute Idee. Für ihn fühlt sich der Motor da im Fünften noch spürbar wohler. Ich fand dagegen, 60 km/h im Sechsten – das kann man machen.

Perfekte Schaltung

Die Schaltvorgänge mit der hervorragend gelagerten Schaltung machten allen Redaktionsmitgliedern großen Spaß. Knackig, kurze Wege, präzise – da spürt man einen Hauch MX-5 (Test) [2] im Handgelenk. Früher hat man BMW einmal für solche Schaltgetriebe geschätzt. Heute zählt dort jedoch die Devise, dass ein guter Kunde die teurere Automatik zu wählen hat. Ein exakt schaltbares, manuelles Getriebe gilt leider oft nur noch als gewinnminimierende Fehlentwicklung.

Eher kontraproduktiv beim Mazda ist hingegen die gesamte Armada der Assistenzsysteme. Das fängt bei der bereits erwähnten Schaltanzeige an. Zum ersten Mal erlebte ich hier falsche Gangempfehlungen. Damit ist nicht obiger Philosophiestreit mit Martin gemeint, sondern tatsächlich falsche, unsinnige Gangempfehlungen. So wird einem bei konstant 30 km/h im Dritten tatsächlich der sechste Gang empfohlen. Schaltet man dann ungläubig in denselben, wird einem daraufhin der Fünfte empfohlen. Im Fünften dann der Vierte, bis man entnervt wieder beim Dritten ist, wo einem, Sie ahnen es, der Sechste empfohlen wird.

Empfehlung: Assistenzsysteme weglassen!

Toll und in dieser Klasse selten ist das in die Scheibe projizierte Head-up-Display. Seinen Wert macht aber die Tatsache zunichte, dass die darin projizierte Tempolimit-Anzeige schlicht unbrauchbar ist. Sie zeigt zwar manchmal tatsächlich das richtige Limit an, meistens aber nicht. Assistenz für den Fahrer wäre es, diese Anzeige ersatzlos zu streichen. Spurhalteassistent und Auffahrwarnung funktionieren ebenso zuverlässig, was den Fahrer schlicht nicht entlastet. Unser Tipp: Alles ausschalten, am besten aber gar nicht erst bestellen. In einem MX-5 ist das okay, in einem modernen Auto für alle Gelegenheiten wie dem Mazda 3 schade. Wenig erfreulich ist auch die elektrische Handbremse, deren Automatik beim Anfahren unregelmäßig streikt und einen festhält.

Liebevolle Abstimmung

So nachlässig wie Mazda offenbar bei den Assistenzsystemen ist, so liebevoll gelungen wirkt die Gesamtabstimmung des Fahrzeugs. Wie sich der Mazda 3 anfühlt, anfasst und bedient – das alles wirkt aus einem Guss und macht große Freude. Schon bei anderen Mazda-Modellen wie dem Mazda 6 Kombi (Test) [3] oder dem CX-5 (Test) [4] haben wir das feststellen können. Bei Mazda-Fahrzeugen ist noch jene, anderweitig längst verlorengegangene Kunst spürbar, aus einem Ganzen mehr als die Summe seiner Teile zu machen. BMW konnte das früher auch mal. Mein E46-320i, Baujahr 2002, vermittelt auch diese schwer zu fassende, aber nicht nur sensibleren Naturen erfahrbare Rundheit.

Dass wir uns hier in einer Gefühlsebene bewegen, die unabhängig von den harten Fakten und Leistung ist, macht der Mazda 3 mit 180 PS-Diesotto aber leider auch sehr deutlich. In diesem Zusammenhang kommt wieder der oben erwähnte Golf mit 150-PS-Turbobenziner ins Spiel. Der VW deckt einen großen Nachteil des Mazda auf. Mit einer Minderleistung von 30 PS geht er mindestens genauso gut, gefühlt eher besser. Der Mazda-Motor liefert seine 180 PS nur in einem extrem schmalen Bereich am oberen Drehzahlende ab.

Was ihm im Vergleich zu vielen Konkurrenten einfach fehlt, ist ein solider Drehmomentunterbau im unteren und mittleren Drehzahlbereich. Die Maschine reagiert zwar ansatzlos auf Beschleunigungswünsche, setzt diese aber etwas zahnlos um. Die Wucht mancher Turbomotoren fehlt ihm. Und das nicht nur gefühlt. Martin konnte einem Mercedes V 220 CDI, der vor ihm auf der Landstraße von 60 auf 100 km/h beschleunigte, im dritten Gang nicht folgen. Das ist nicht unbedingt das, was man erwartet, wenn man sich in einem Auto dieser Größe 180 PS leistet. Verstehen Sie mich nicht falsch, 120 PS können einem auch in der Golf-Klasse völlig ausreichen, aber dann sollten auch in Datenblatt und Preisliste nicht 60 PS mehr versprochen und abgerechnet werden.

Laufkultur auf VW-Niveau

Hinzu kommt,dass der Motor beim Drehen in die Bereiche, in denen es ansatzweise vorwärts geht, auch seine Stimme erhebt. Die Laufkultur ist insgesamt nicht schlecht, aber auch nicht besser als bei den mehrmals erwähnten VW-Vierzylindern. Allerdings setzen die Volkswagen-Motoren hier auch einen hohen Standard. Beim Mazda fällt zudem eine vergleichsweise dünnhäutige Dämmung der Fahrwerkskomponenten auf. Poltern von der Hinterachse ist hier deutlicher vernehmbar als beim Wolfsburger Platzhirschen und dessen Derivaten von Seat (Test) [5] und Skoda (Test) [6]. Richtig störend wird das beim Mazda nie, Verbesserungen kann man sich hier aber problemlos vorstellen.

Das ist schade, zumal sich das Fahrwerk ansonsten sehr gut anfühlt. Da ist es wieder, jenes runde Gefühl, mit dem 3er augenblicklich warm zu werden. In die Abstimmung von Federung und Dämpfung sowie Lenkung hat Mazda spürbar viel Arbeit gesteckt und ein sehr gutes Ergebnis abgeliefert. Die Dämpfung spricht sensibel an, die Lenkung ist direkt ausgelegt, nervt aber nicht mit unnötigen Untergrund-Informationen. Das ganze fühlt sich ausgewogen und fein aufeinander abgestimmt an. Es macht schlicht Freude, den Mazda 3 zu fahren.

Sträflich unübersichtlich

Der positive Eindruck verflüchtigt sich etwas, wenn ein Spurwechsel ansteht. Schon die Fotos zeigen, dass die Bezeichnung „C-Säule“ beim Mazda 3 nicht mehr passt. Ich weiß nicht, ob die traditionell massive „Banane“ des Golf hier mit einer „Bananenplantage“ übertrumpft werden sollte. Irgendwo hab ich mal gelesen, dass eine massive C-Säule Solidität und Sicherheit ausstrahlt. Mazda hat hier heillos übertrieben.

Damit ist der 3er eines der vielen modernen Fahrzeuge, in deren toten Winkel ganz Hessen passt. Eine Entwicklung, die nur die Produzenten von Totwinkel-Assistenzsystemen begrüßen können. Jeder normale Mensch muss angesichts der vielen tödlichen Fahrradunfälle in unseren Städten und der Erfahrung, wie schnell auch ohne künstliche Erschwernis ein Fahrradfahrer beim Rechtsabbiegen übersehen werden kann, solchem Design die rote Karte zeigen. Offenbar ist das aber nicht der Fall.

Misslungene Raumausnutzung

Leider ist der Mazda 3 auch kein Raumwunder. Ein VW Golf bringt auf 20 cm weniger Außenlänge die hinteren Insassen spürbar großzügiger unter. Ich bin knappe 1,80 m groß und komme hinter dem auf mich eingestellten Fahrersitz im Mazda in unangenehmen Kontakt zur Sitzlehne, wo ein Golf 7 noch Platz lässt. Zudem schafft es der zukünftige Ex-Golf auf weniger Parkfläche auch noch den Mazda-Kofferraum (351 bis 1026 Litern) um 29 bis maximal über 250 Liter zu überbieten. Die Raumausnutzung des Mazda 3 ist schlicht misslungen. Der japanische Kompakte gehört außen zu den Riesen, innen zu den Zwergen und ist obendrein sträflich unübersichtlich. Im Alltag aber nervt er trotzdem nicht. Ganz im Gegenteil, er hat einen Charme, den ich im Golf 7 trotz oder sogar wegen aller teutonischer Perfektion niemals gefunden habe.

Auch im Preiskapitel gibt es für den Mazda 3 im Vergleich zum gerade noch in Neuwagen-Restposten abverkauften Alt-Golf nichts zu holen – zumindest auf den ersten Blick. Der Diesotto mit 180-Papier-PS und höchster Ausstattungslinie Selection beginnt bei 28.590 Euro. Ein Golf 7 Highline mit dynamisch überlegenen 150 PS kostet unverhandelt mit 29.925 Euro nur unwesentlich mehr. Doch die Serienausstattung des Deutschen kann mit der japanischen Vollausstattung bei weitem nicht mithalten.

Was zu empfehlen ist

Unser Testwagen kam mit allerlei Annehmlichkeiten wie Lederpolsterung inklusive elektrisch einstellbarem Fahrersitz mit Memory (1800 Euro), Bose-Soundsystem (750 Euro) u.v.m. auf 33.640 Euro – viel mehr geht nicht. Der 360-Grad-Rückfahrmonitor mit Vogelperspektive ist in Anbetracht der schlechten Übersicht ein empfehlenswertes Extra. Schade ist, dass er nur im Paket mit „Assistenzsystemen“ wie City-Notbremsfunktion, Frontüberwachung und Aufmerksamkeitsassistent kommt (1200 Euro). Wie wir schon des öfteren festgestellt haben, helfen bei Mazda diejenigen Assistenzsysteme am besten, auf die bei der Konfiguration weise verzichtet wurde. Da sind Rückfahrkamera und Einparkhilfe nur deshalb Ausnahmen, weil hypersensibles Tröten vielleicht doch weniger nervt als völlige Blindheit für die Außenabmessungen beim Einparken.

Der Hersteller trug die Überführungs-, der Autor die Spritkosten.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-4566159

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Test-VW-Golf-1-5-TSI-ACT-3751530.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Fahrbericht-Mazda-MX-5-Skyactiv-G-131-4126825.html
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/Im-Test-Mazda-6-2-2-Skyactiv-D-150-3505022.html
[4] https://www.heise.de/autos/artikel/Test-Mazda-CX-5-Skyactiv-G-194-3955529.html
[5] https://www.heise.de/autos/artikel/Im-Test-Seat-Leon-1-5-TGI-4368132.html
[6] https://www.heise.de/autos/artikel/Fahrbericht-Skoda-Scala-4363704.html