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Faltenrock

Im Test: Citroën C1

Fahrberichte Martin Franz
Citroen

Der Citroën C1 ist ein typischer Kleinstwagen, der einen nie vergessen lässt, in welcher Klasse man unterwegs ist. Doch mit seinem temperamentvollen Dreizylinder und dem großen Faltdach hat er im Test viele Sympathien eingesammelt

München, 20. Juni 2016 – Die Liga der Kleinstwagen hat bei manchen Mitmenschen mit einigen Vorurteilen zu kämpfen: Eng, unkomfortabel, klapprig, schwachbrüstig – die Liste ist lang. Nun sind aber Vorurteile nur die Vernunft der Narren, wie Voltaire einst feststellte. Der Citroen C1 jedenfalls widerlegt eine Reihe von Vorbehalten. Dabei hilft ihm ein Extra ganz besonders.

Nicht mehr Auto als nötig

Der C1 brilliert beispielsweise am Ende einer Fahrt. Gerade im engbebauten Großstadtgewühl lässt sich mitunter für ein Auto mit 3,5 Meter Länge viel leichter ein Parkplatz finden als für längere Kandidaten. Davon abgesehen kann manch einer es auch als Anreiz empfinden, nicht mehr Auto als nötig durch die Innenstadt zu bewegen. Die Frage dabei ist, wie weit die Bereitschaft zum Verzicht geht. Ich war mit zwei Kleinkindern und Ehefrau im C1 unterwegs. Zugegebenermaßen hatte keiner Lust auf einen Umweg, kurze Strecken lassen sich aber selbst mit so einer Besetzung bewältigen. Ein weiterer Vorteil: Nimmt man den C1 mit zu einer Autobesichtigung, wirkt selbst ein Astra beim Umstieg riesig. So gesehen erzieht er in gewisser Hinsicht zur Bescheidenheit.

Wirklich einschränken muss sich der C1-Fahrer beim Kofferraum: Mit zwei Kisten Sprudel ist der bereits gut gefüllt. An der Kofferraumklappe, die nur aus einer Scheibe besteht, ist eine etwas dünnhäutige Verkleidung des Scheibenwischers angebracht. Ob wir diese „gesprengt“ haben oder ein Vorbesitzer für den Riss verantwortlich war, ließ sich nicht mehr klären. Allzu viel hat sie dem Ladegut nicht entgegenzusetzen.

Kein Zweifel

Wie üblich war der Testwagen mit nahezu allem ausgestattet, was die Preisliste hergibt. Schwarz lackierte Kunststoffe auf der Mittelkonsole und um das Gehäuse des Instrumentenkombis sollen vermutlich versuchen, den Innenraum hochwertiger erscheinen zu lassen – vergeblich. Es gibt auch in der teuren Version an keiner Stelle einen Zweifel daran, in welcher Klasse man hier unterwegs ist. Dafür blendet die glänzende Verkleidung bei ungünstigem Lichteinfall, was doch ziemlich nervt. Ansonsten gibt es reichlich lackiertes Blech und hartes Plastik, was in den direkten Konkurrenten auch nicht anders ist.

Im Testwagen waren die Sitze mit Leder bezogen. Es ist sicher gut gemeint gewesen, doch wir vermuten, dass damit trotz eines Aufpreises von gerade einmal 850 Euro nur sehr kleiner Anteil der ausgelieferten C1 bestückt ist. Echtes Leder gibt es nur für die „Sitzkontaktflächen“, der Rest ist mit Kunstleder bezogen. Das machen viele Hersteller allerdings auch bei Autos so, die ein Mehrfaches des C1 kosten. Ganz nebenbei: Nissan GTR Nismo [1] geht in den umgekehrten Weg. Dort sind die Seitenflächen aus Leder und die Sitzflächen aus Alcantara. Citroën ist aktuell übrigens einer der wenigen uns bekannten Hersteller, die hierzulande Ledersitze ohne Sitzheizung verkaufen.

Eher pragmatisch als nobel

Das alles wirkt ein wenig so, als schäme sich der C1 seiner Klasse. Ja, die Einrichtung wirkt eher pragmatisch als nobel – was in dieser Klasse kein Beinbruch ist. Alles an der Einrichtung ist kostenoptimiert. Die preiswerten Versionen ohne Automatik für die Klimaanlage, lackierte Kunststoffteile und mit Stoffsitzen wirken so gesehen geradliniger. Das Lederlenkrad versucht dagegen erfolgreich, wie eines aus Kunststoff zu wirken. Enttäuscht sein dürfte der ein oder andere Kunde auch, dass es statt eines Tempomats nur einen Geschwindigkeitsbegrenzer gibt.

Das einfache Kombiinstrument ist bis auf den Drehzahlmesser gut abzulesen. Die Bedienung des erstaunlich umfangreichen Bordcomputers über zwei Tasten direkt auf dem Display ist etwas fummelig. Weit mehr nervt aber der resistive Touchscreen des Infotainmentsystems. Weniger, weil diese Technologie auch hier nur zögerlich reagiert, sondern mehr, weil auf dem Display bei Sonneneinstrahlung wirklich nichts mehr zu erkennen ist. Bei solchem Murks fragt man sich, ob das keinem Tester vor der Markteinführung aufgefallen ist: Konnte oder durfte da kein Techniker ran? Schade auch, dass weder über Bluetooth noch über USB eine Ordnerstruktur erkannt wird.

Näher am Geschehen

Die Geräuschkulisse verhindert aber ohnehin jeglichen Musikgenuss. Abrollgeräusche und Motor sind stets vernehmbar, da nur sparsam gedämmt. Dafür bietet das Faltdach neue akustische Eindrücke. Ob nun das Schlagen einer Kirchturmglocke oder Vogelzwitschern, mit dem offenen C1 ist man näher am Geschehen. Dazu fängt es nicht erst über dem Scheitel an, sondern weit davor, was den Eindruck verstärkt, im Freien zu sitzen – viel mehr, als es bei den meisten Schiebedächern der Fall ist. Das Dach macht soviel Freude, dass man dem C1 so manche Schwäche gern verzeiht. Wir würden uns wünschen, dass es ab dem Basismodell zu haben ist, doch der C1 kostet damit mindestens 12.400 Euro.

Der zweite große Pluspunkt dieses Kleinwagens ist die Maschine. Im Testwagen war der Dreizylinder mit 82 PS installiert. Er beschleunigt den C1 im Rahmen seiner Möglichkeiten ziemlich druckvoll und ist dabei recht drehfreudig. Satter Durchzug aus niedrigen Drehzahlen ist keine seiner Stärken, doch wer fleißig schaltet, kommt vor allem im urbanen Bereich flott voran. Überholmanöver auf Landstraßen wollen sorgfältig geplant sein und das man auf der Autobahn im Konzert der ganz Großen nicht mitheulen kann, sollte man einem Auto dieser Klasse nicht vorhalten. Mit etwas Anlauf sind laut GPS immerhin 171 km/h möglich.

Der Dreizylinder klingt sympathisch kernig, wobei Citroën auch mit Dämmmaterial sparsam umgegangen ist. Wer ein leises Auto will, ist in dieser Klasse falsch. Gleiches gilt allerdings auch für ein ausgesprochen sparsames Auto. Wer der Drehfreude des Motors öfter mal nachgibt, landet schnell bei etwas mehr als 6 Litern. Weniger als 4,7 haben wir nicht hinbekommen, im Schnitt waren es rund 5,2 Liter. Damit liegt der C1 knapp unter dem Niveau eines VW Golf 1.0 TSI [2] – zu knapp für meinen Geschmack. Signifikante Einschränkungen bei Platzangebot, Komfort und Fahrleistungen sollten deutliche Vorteile beim Verbrauch bedeuten.

Teurer als Renault

Der Testwagen kam auf einen Listenpreis von mehr als 17.000 Euro. Viel teurer kann ein C1 auch nicht mehr werden, viel günstiger allerdings schon. Die teuerste Ausstattungsversion „Shine“ kostet mit Faltschiebedach, Radio, Klimaanlage und fünf Türen 14.750 Euro. Noch zu teuer? Ein C1 mit Faltdach, 69 PS, einfachem Radio und Klimaanlage kostet 13.390 Euro. Ein Twingo mit 71 PS, Faltdach, Radio und Klimaanlage kostet ab 11.780 Euro, mit dem Turbo-Dreizylinder sind es 13.160 Euro. Das gibt dem Citroën-Interessenten gute Argumente für eine Preisverhandlung mit auf den Weg. Für beide gilt schlussendlich: Ja sie sind eng und sicher keine Komfortwunder, doch klapprig und schwachbrüstig sind sie nicht. Es ist eben nie zu spät, Vorurteile abzulegen, wie Henry David Thoreau weise bemerkte.


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[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Fahrbericht-Nissan-GT-R-2017-3226062.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Test-VW-Golf-1-0-TSI-BlueMotion-2790343.html