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Turin, 17. November 2014 – Wie weit lässt sich eine erfolgreiche Idee aufbohren? Das Beispiel BMW-Mini zeigt: Sehr weit, auch wenn wohl nicht alle Versuche einen Nachfolger bekommen werden. Bei Fiat versucht man es nun mit einem ganz ähnlichen Rezept. Der noch immer recht beliebte Kleinstwagen 500 wird nach und nach um Modell nach dem gleichen Muster ergänzt. Nach dem 500L (vorgestellt 2012) und dem längeren 500L Living (im Verkauf seit 2013) folgt nun das kompakte SUV 500X. In den Verkauf kommt es erst im Februar 2015, wir konnten es aber vorab schon ausprobieren.

Kein Riese

Die Optik ist besser als befürchtet. Zwar zitiert der 500X die „Mama 500“ mehr als deutlich, aber er wirkt real besser als auf Bildern. Ob er nun tatsächlich schön ist, möge der Betrachter für sich entscheiden. Redaktionsintern fand sein Design jedoch mehr Anklang als das von 500L und 500L Living. Fiat selbst spielt in einem Video selbstironisch mit dem Vorwurf, der Wagen sei ein Viagra-500. Die rundlichen Formen sollen einen bewussten Kontrast zum kantigen Jeep Renegade bilden, mit dem sich der 500X die Plattform teilt.

Ein Raumwunder ist der 500X nicht: 350 bis 1000 Liter Kofferraumvolumen sind durchschnittlich, gleiches gilt für den Beinraum im Fond. Keine Probleme gibt es über dem Kopf, obwohl der 500X zehn Zentimeter niedriger als der Jeep ist.

Offroad?

Mit 4,25 Meter liegt der 500X auf üblichen Niveau dieser Klasse und ist exakt so lang wie der Jeep Renegade. Gleich ist auch der Radstand von 2,57 Meter. Wie beim Jeep gibt es auch vom 500X eine Version mit Offroad-Optik: Sie heißt Cross und ist als Fronttriebler mit elektronisch gesteuerter Differenzialbremse oder mit Allrad erhältlich. Der Böschungswinkel vorne beträgt 21,3 Grad, hinten sind es 30,1 Grad, der Rampenwinkel wird mit 22,3 Grad angegeben. Klingt gut, aber Fiat lässt den 500X Cross bei dieser Proberunde nur auf einen abgespeckten Offroad-Kurs los. Dort merkt der Fahrer schnell, dass ein Gelände-Ritt nicht über verschlammte Feldwege und mittlere Steigungen hinausgehen sollte. Auf zwanzig Prozent beziffert Fiat Deutschland den voraussichtlichen Allradanteil beim 500X. Diese Kunden müssen dann zwangsweise zur Cross-Version greifen.

Diese wilde Plastikbeplankung passt nicht zum 500X, dessen Normalausführung bereits an den Unterkanten mit schwarzem Kunststoff vorfährt. Zumal es beim Fiat kaum anders sein wird als beim Opel Mokka oder Skoda Yeti. Käufer solcher Autos wollen hoch sitzen und gut hinaussehen können. Deren Gelände sind fiese Bordsteinkanten und der Supermarkt-Parkplatz. Dafür reicht der Standard-500X allemal, die Bodenfreiheit beträgt knapp 18 Zentimeter.

Im Cockpit hat sich Fiat wirklich Mühe bei der Einrichtung gegeben: Lackierte Oberflächen erinnern an den Cinquecento, genarbte Kunststoffe und wahlweise Leder in den Türen heben den Eindruck. Sehr gelungen sind auch die formschönen Türgriffe. Dazu kommt, dass alles sauber verarbeitet und recht solide zusammengeschraubt scheint. Die Sitze bieten guten Seitenhalt, lassen aber etwas Beinauflage vermissen. Ein weiterer Kritikpunkt: Mittig gibt es zwar ein großes TFT-Instrument mit vielen Anzeigemöglichkeiten, aber insbesondere der links davon postierte Tacho ist zu kleinteilig geraten. Aber allein die Tatsache, dass in einem Fiat solche Petitessen kritikwürdig sind, zeigt, dass die Marke auf einem guten Weg ist.

Neungang-Automatik

Zum Start im Februar bietet Fiat vier Motoren im 500X an: zwei Benziner mit 110 und 140 PS und zwei Diesel mit 120 und 140 PS. Der Selbstzünder mit 140 PS und Neunstufen-Automatik ist eine gelungene Kombination: Laufruhig schiebt der Zweiliter an, nach leicht behäbigem Anfahren sortiert die Automatik hurtig die Gänge. Bereits bei Tempo 90 ist Nummer neun drin – ein ungewohnter Anblick im Display – und die Drehzahl liegt knapp unter 1500/min. Lediglich beim starken Tritt aufs Gaspedal kommt die Technik nicht ganz hinterher und sortiert die Stufen zu hektisch. Doch die anspruchsvolle Technik hat ihren Preis: In der Topversion Cross Plus mit Allrad liegt der 500X dann bei 31.400 Euro.

Gelassener Benziner

Sinnvoller erscheint die frontgetriebene Normalausführung mit 1,4-Multiair-Benziner (Fiat-Regel: "Multi" ist immer, "Air" bedeutet Benziner, "Jet" Diesel) und 140 PS. Dieser Motor agiert unauffällig und wird nur beim Ausdrehen brummig. Ansonsten ist er von gelassener Natur, was der 0-auf-Tempo-100-Wert von gut zehn Sekunden untermauert. Sechs handgeschaltete Gänge sind Serie, allerdings könnten die Wege des langen Schaltknüppels etwas kürzer sein.

Als Assistenzsystem bietet Fiat unter anderem Hilfen zur Spur- und Abstandshaltung sowie gegen den toten Winkel an. Wer Smartphone-Apps im Auto braucht, bekommt diese per 6,5-Zoll-Touchscreen geliefert. Ich würde mir stattdessen ausnahmsweise ein adaptives Fahrwerk wünschen, denn besonders die Hinterachse schlägt auf Querfugen ruppig durch.

Start mit Sondermodell

Eine endgültige Preisliste gibt es noch nicht. Bekannt ist bisher nur, dass die sparsam ausstaffierte Basisversion Pop mit 110 PS und Frontantrieb wird ab 16.950 Euro angeboten. Rechnet man Radio und Klimaanlage hinzu, landet der Käufer preislich ungefähr in der Region, in der der auch die Konkurrenz ihre Einstiegsangebote angesiedelt hat.

Fest steht schon der Preis für die „Opening Edition“, die auf 2000 Stück limitiert ist. Im Fall des 140-PS-Benziners ist das Auto grau lackiert und steht auf 18-Zöllern, innen gibt es unter anderem eine Klimaautomatik, ein Fahrassistenz-Paket mit Rückfahrkamera plus ein schlüsselloses Öffnungs- und Startsystem. Der Preis mit Frontantrieb: faire 22.040 Euro.

Anreise, Verpflegung und Probefahrt gingen auf Kosten des Herstellers