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Eine Ausfahrt in der neuen Hyundai Genesis Sportlimousine

Außenseiter, Spitzenreiter

Fahrberichte Import User
Die neue obere Mittelklasse von Hyundai: Genesis Sportlimousine

Hyundai ist mit der neuen Genesis Sportlimousine ein bemerkenswertes Auto gelungen, doch hierzulande wird das kaum jemand goutieren. Ein Fahrbericht zeigt, dass hier ein Auto auf jene Käufer wartet, die auf Prestige verzichten können - um im Gegenzug eine tolle Limousine zu bekommen

Luxemburg, 28. August 2014 – Wer eine wirklich komfortable Limousine sucht und bereit ist, dafür 65.000 Euro auszugeben, hat Hyundai bislang nicht auf der Liste. Das liegt nicht nur am bisher hierzulande fehlenden Angebot der Koreaner, sondern natürlich auch daran, dass Prestige in diesem Segment eigentlich durch nichts aufzuwiegen ist. Alle Versuche von asiatischen Firmen, in Deutschland mit einer luxuriösen Limousine Käufer von den bekannten Marken wegzulocken, waren nur von bescheidenem Erfolg gekrönt – trotz zum Teil bemerkenswert guter Autos. Dieses Schicksal droht wohl auch der neuen Genesis Sportlimousine, die wir schon ausprobieren konnten.

Fein gemacht

Der Genesis ist ein elegantes Auto geworden, findet jedenfalls die Mehrheit in der Redaktion. Neue Akzente setzt er nicht, manches erinnert an bekannte deutsche Marken. Die etwas hervorstehenden Rückleuchten kennt man von Audi, die Front könnte auch von Mercedes stammen.

Innen erwartet einen das Beste, was Hyundai jemals zustande gebracht hat – sagt Hyundai. Und wer in der sauber vernähten Lederausstattung Platz nimmt und die reichhaltig verbauten, offenporigen Hölzer oder die feinen Aluminium-Applikationen ansieht, ist geneigt, den Marketing-Dichtern dieses Mal Glauben zu schenken. Wäre da nicht dieser etwas billige Metall-Riffel-Look um den Wählhebel, würde der Genesis auch neben den deutschen Platzhirschen locker bestehen.

Es gibt nicht ein einziges Extra, was schlicht daran liegt, dass Hyundai in die Serienausstattung alles verfügbare eingebaut hat. Kleiner Auszug? Schiebedach, elektrisch verstellbare Ledersitze, Navigationssystem, farbiges Head-up-Display, 360-Grad-Rundumsicht mit vier Kameras und zugehörigen Sensoren und als Weltneuheit ein CO2-Sensor, der erkennt, wenn der Pilot müde wird. Dazu kommen diverse Assistenzsysteme, darunter City-Notbremse, Cross-Traffic-Assistent, automatische Einpark-Funktion. Eine derart hochgerüstete, ungefähr gleichstarke Mercedes E-Klasse wäre kaum unter 80.000 Euro zu haben.

No Sports

Abgesehen von diesen Spielereien kann der Genesis natürlich auch fahren und das sogar ziemlich gut. In Deutschland trägt das Schiff den Zusatz Sportlimousine, was allerdings niemand zu wörtlich nehmen sollte. Ursprünglich für den amerikanischen und asiatischen Markt und damit eher weich abgestimmt, wurde Lotus damit betraut, die Euro-Version auf Trab zu bringen. Das Fahrwerk mit Mehrlenker-Achse vorne und hinten wurde also europäisiert, außerdem gibt es einen Allradantrieb mit einer eher heckbetonten 40:60-Auslegung und adaptive Dämpfer mit den drei Fahrmodi Eco, Normal und Sport. Wer bei Lotus nun an extreme Unnachgiebigkeit denkt, sei beruhigt, denn der Genesis federt hervorragend.

Die Lenkung arbeitet angenehm zielgenau, verhärtet sich bei höheren Geschwindigkeiten aber etwas künstlich. Einer aus sportlicher Sicht erfreulicheren Erfahrung stehen dazu 2150 Kilogramm Leergewicht gegenüber. Die sind deutlich zu spüren: Geht es zu fix in die Kurve, schiebt der Genesis massiv über die Vorderräder. Viel Gas am Kurvenausgang bringt dagegen das Heck ins Spiel. Insgesamt steuert sich das Auto durchaus ansprechend, wenn auch zur Dynamik eines BMW 5er ein ganzes Eck fehlt.

Antrieb alter Schule

Ein ganzes Eck fehlt auch beim Motorenangebot, zumindest numerisch. Es gibt hierzulande nämlich nur eine Maschine. Dabei handelt es sich um einen 3,8-Liter-V6-Sauger mit 315 PS und 397 Nm Drehmoment. Der aus heutiger Downsizing-Sicht etwas altbackene Haudegen ist an eine Achtgang-Automatik gekoppelt. Beide machen einen erfreulich guten Job. Der Motor reagiert sehr motiviert auf Gasbefehle und wirkt immer kräftig genug. Der Automat hilft mit flotten und sanften Gangwechseln. Leider ist die Klangkulisse alles andere als souverän. Ein etwas weinerliches Sägen beim Ausdrehen will nicht so ganz zum Habitus eines hubraumstarken Kilometerfressers passen. Zu einem weiteren Verhängnis könnte der Verbrauch werden. Hyundai gibt im NEFZ 11,6 Liter an, bei unserem Ausflug waren es laut Bordcomputer um die 13,5.

Nur für den deutschen Markt hätten die Koreaner die Genesis Limousine wohl nicht gebaut. Hyundai selbst geht in Deutschland von jährlichen Verkaufszahlen im niedrigen dreistelligen Bereich aus. Und da sind die eigenen Firmenwagen wahrscheinlich schon mit drin. In Asien und Amerika dürfte der Wagen aber gute Chancen haben. Hierzulande darf er als ein hervorragender Technologieträger für all die Assistenzsysteme und Interieur-Schmeicheleien gelten, die nach und nach auch in die kleineren Hyundai-Modelle einfließen könnten.


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