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Rumäne misst sich in der 10.000-Euro-Klasse mit einjährigem Franzosen

Duell der Discounter: Dacia Sandero gegen Renault Clio

Fahrberichte sl
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In der Preisklasse um 10.000 Euro verglichen wir einen neuen Dacia Sandero 1.6 MPI mit einem – gebrauchten – Renault Clio 1.2 16V. Zuvor hatte ein Wettbewerber einen Vergleich mit dem Rumänen abgesagt

München, 19. September 2008 – Der Einstiegspreis des Dacia Sandero (7500 Euro) bleibt eine Kampfansage: So günstig gab es schon lange kein fabrikneues Schrägheckfahrzeug mehr. Grund genug für heise Autos, den billigen Rumänen mit einem der meistverkauften Kleinwagen zu vergleichen, doch dessen Hersteller sagte kurzfristig ab – gegen den Sandero müsse sein Auto zwangsläufig den kürzeren ziehen, lautete die bemerkenswerte Begründung.

Als Alternative bot sich der Redaktion an, dass eine Kollegin einen ein Jahr alten Renault Clio fährt. Der ist gleich groß und auch die Motorisierung passt in etwa: Unser Sandero kommt mit dem 87-PS-Basismotor daher, der Clio hat 75 PS. Und der Preis? Unser topausgestatteter Dacia-Testwagen kostet 10.000 Euro. Nach der auf CD-ROM erhältichen ADAC-Gebrauchtwagenübersicht 2008/2009 ist ein gebrauchter Clio 1.2 16V Dynamique als Fünftürer nach einem Jahr und 13.000 Kilometer Laufleistung 10.100 Euro wert, das kommt also gut hin. Die Kollegin fährt allerdings einen Dreitürer, der billiger zu haben sein düfte.

Motor / Getriebe

Wie im Stufenheckverwandten Dacia Logan kommen im Sandero die aus dem alten Clio bekannten Zweiventil-Motoren zum Einsatz. Hier ist es ein 1,6-Liter-Benziner mit 87 PS. Das maximale Drehmoment beträgt 128 Newtonmeter, die bei 3000 U/min anliegen. Der Clio hat einen viel kleineren Motor, der dafür aber mit vier Ventilen arbeitet. Der 1,2-Liter-Otto ist jedoch schwächer und produziert nur 75 PS und 105 Newtonmeter. Dazu liegt das maximale Drehmoment beim Sandero schon bei 3000 Touren an, beim Clio erst bei 4250 U/min. Beide Motoren zeichnen sich aber dadurch aus, dass sie bereits bei niedrigen Drehzahlen um die 1500 Touren Schub liefern. Das heißt, man kann bei typischem Stadttempo von 55 km/h im fünften Gang fahren und bei Bedarf schneller werden, ohne zurückzuschalten. Doch der Clio wirkt dabei etwas träger, wenn man aus dem Drehzahlkeller heraus beschleunigt. Groß ist der Unterschied nicht, aber spürbar.

Die Autobahn-Dröhnung

Alltagstauglich sind beide Motoren. Allerdings ist der Motor des Sandero nicht gerade laufruhig. Beim Warten an der Ampel wird dem Fahrer durch das sanfte Vibrieren des Antriebs das Hinterteil im Sitz massiert. Auch am Schalthebel lässt sich die Vibration deutlich fühlen. Beim Clio ist Ähnliches nur in sehr meditativen Momenten spürbar. Hier nervt, dass die Kupplung erst auf den zwei letzten Zentimetern kommt. Ein zweites Manko ist das Innengeräusch: In beiden Kleinwagen wird es bei hohem Tempo recht laut. Schon ab 120 km/h braucht man starke Nerven. Das Maximaltempo liegt bei beiden Autos fast gleich: Der Clio schafft laut Datenblatt 167 km/h, der Sandero 174 km/h. Den Clio-Tacho brachten wir mit Bleifuß auf 180 km/h, doch ist das wahrlich keine Freude mehr. In diesem Bereich dröhnt und stöhnt der Renault so stark, dass wir nicht wagten, bis zum Äußersten zu gehen. Aber der Sandero wird bei Autobahntempo ebenfalls zu laut, wenn auch nicht ganz so arg. Auch hier wird das Maximaltempo erst bei Drehzahlen jenseits von 5000 U/min erreicht. Ein Gang mehr als die serienmäßigen fünf würde beiden Autos nicht schaden.

Duell der Discounter: Dacia Sandero gegen Renault Clio

Clio deutlich sparsamer

Bisher geht der Vergleich zugunsten des Sandero aus, doch beim Spritverbrauch schlägt der größere Hubraum negativ zu Buche. Der Sandero 1.6 MPI braucht laut Hersteller 7,2 Liter auf 100 Kilometer, während sich der Clio 1.2 16V mit 5,9 Liter zufrieden gibt – ein gewaltiger Unterschied von rund 20 Prozent. Auf unseren Testfahrten waren die Verhältnisse alledings anders: Den Sandero bewegten wir mit 8,0 Liter auf 100 Kilometer, während unsere ambitioniert fahrende Kollegin mit dem Clio 8,7 Liter auf 100 Kilometer braucht. Doch diesen Zahlen sollte man nicht allzu viel Gewicht beimessen – sie können durch unterschiedliche Fahrweisen bedingt sein. Insgesamt hat der Sandero den stärkeren und weniger lauten Motor, der Clio verbraucht dafür weniger. Das bedeutet: In dieser Kategorie ergibt sich ein Unentschieden.

Fahrwerk / Lenkung

In puncto Fahrwerk bieten beide Autos eine kleinwagentypische Ausstattung. Vorne gibt es eine McPherson-Achse, hinten eine Verbundlenkerachse. Anders als beispielsweise beim VW Polo sind in beiden Wagen nur vorne Querstabilisatoren eingebaut; dieses Manko lässt die Autos in Kurven relativ stark wanken. Im Ergebnis gefällt uns das Fahrwerk des Clio besser. Der Sandero quittiert Bodenunebenheiten oft mit dumpfen Schlägen, was beim Clio kaum der Fall ist. Zum Teil liegt das wohl auch an der besseren Geräuschdämpfung. Ein weiterer Unterschied ist die Bodenfreiheit: Der Sandero eignet sich mit knapp 16 Zentimetern besser für schlechte Straßen als der Clio mit zwölf Zentimetern. Wie bei Kleinwagen üblich, bremsen beide vorne mit Scheiben, hinten mit Trommeln.

Träge Sandero-Lenkung

Eine Servolenkung besitzen beide Testfahrzeuge, allerdings ist sie beim Clio elektrisch und geschwindigkeitsabhängig, beim Sandero gibt es eine traditionelle hydraulische. So fällt beim Dacia die bei geringem Tempo schwergängige Lenkung negativ auf. Gut, dass wir nicht die Basisversion hatten, die ohne Servounterstützung dirigiert werden muss. Insgesamt ist das Urteil klar: Vorteil Clio.

Duell der Discounter: Dacia Sandero gegen Renault Clio

Karoasserie / Innenraum

Von außen gesehen sind unsere beiden Testkandidaten keine rechte Augenweide. Beide wirken für unseren Geschmack zu rundlich, ja pummelig. Wenn die beiden Kleinen auf dem Parkplatz nebeneinander stehen, sieht man ihre enge Verwandtschaft. Beide Autos basieren auf der gleichen Plattform. So ist es nicht verwunderlich, dass die Maße des Sandero und des 2005 eingeführten Clio sehr ähnlich sind: Die beiden Kandidaten unterscheiden sich hier nur um Zentimeter. Beide sind rund vier Meter lang, 1,70 Meter breit und 1,50 Meter hoch. Während der Sandero stets als Fünftürer ausgeliefert wird, gibt es den Clio auch als Dreitürer. Beide Fahrzeuge sind für fünf Insassen zugelassen, wobei der dritte Sitzgurt im Fond im Dach verankert ist, was nicht sehr praktisch ist. Der Sitzkomfort im Fond ist jedoch unterschiedlich: Im Sandero gibt es sowohl für die Knie als auch für den Kopf genug Platz. Dagegen ist die Kniefreiheit im Clio begrenzt.

Keine ebene Ladefläche

Beim Kofferraum ist der Sandero Klassenkönig: 320 bis 1200 Liter sind der Bestwert bei Kleinwagen. Beim Clio sind es 288 bis 1028 Liter. Die Maximalwerte gelten jeweils für umgeklappte Rücksitze und dachhohe Beladung. Bei beiden Fahrzeugen sind die Fondsitze asymmetrisch geteilt umklappar; dies gibt es beim Sandero allerdings nur in der Topversion. Beim Clio sind nicht nur die Sitzlehnen klappbar, sondern auch die Sitzpolster. Dennoch bleibt hier – wie auch beim Sandero – eine störende Schwelle, und der vordere Teil der Ladefläche steigt deutlich an. Ein 28-Zoll-Tourenfahrrad passt nach Demontage des Vorderrades in beide Autos. Dennoch: Gut nutzbar sind die Laderäume nicht. Die Ladekante ist beim Dacia deutlich höher, wozu wohl auch die größere Bodenfreiheit beiträgt. Dafür hat er eine passable Ladeschwelle. Beim Clio stört beim Herausholen von schweren Getränkekisten eine gleich 22 Zentimeter hohe Barriere am Kofferraumausgang.

Beim Innendesign liegt der Clio vorn

Was das Design des Cockpits angeht, so gefällt uns der Clio deutlich besser, obwohl wir hier nur die mittlere Ausstattung Dynamique hatten, während der Sandero in der Topausstattung bei uns ankam. So bietet der Clio in der Dynamique-Version ein hinterschäumtes Armaturenbrett, schöne Mattchrom-Applikationen sowie ein Lederlenkrad. Auch was die Ergonomie angeht, gebührt dem Clio der Vorzug. So hat die Scheibenwaschanlage des Sandero keine Automatik: Nach dem Nassspritzen der Frontscheibe muss man den Scheibenwischer manuell an- und wieder ausstellen. Ungewohnt ist die Bedienung der Hupe über den Blinkerhebel. Und der Kontrollton für den Blinker klingt beim Sandero piepsig, was die meisten Tester zumindest als ungewohnt, wenn nicht als nervig empfanden. Außerdem wackelte in unserem nagelneuen Dacia der Fahrersitz: Er bewegte sich bei jedem Bremsmanöver etwas nach vorne. Die Sitzhöheneinstellung war für uns in beiden Autos wenig hilfreich. Beim Sandero funktionierte sie gar nicht, im Clio erscheint sie nur für kleine Leute vorteilhaft – verschieden große Redakteure fuhren den Wagen sämtlich in der niedrigsten Sitzposition.

Duell der Discounter: Dacia Sandero gegen Renault Clio

Ausstattung / Preis

Der Sandero 1.6 MPI Lauréate kostet beim Händler glatt 10.000 Euro. Den fünftürigen Clio 1.2 16V Dynamique gibt es neu für 14.100 Euro. Wie ausgeführt, ist ein einjähriger Gebrauchter für rund 10.000 Euro zu haben. Zum Sicherheitspaket gehören beim Sandero nur vier Airbags sowie Nebelscheinwerfer. Die Kopfairbags fehlen und ESP ist gar nicht erhältlich. Dagegen besitzt der Clio sechs Airbags, und ein Fahrstabilitätsprogramm kann wenigstens gegen Aufpreis bestellt werden. Außerdem leuchtet der Clio Dynamique serienmäßig mit Kurvenlicht.

Gleiches Komfortniveau

Was den Komfort angeht, sind beide Autos etwa gleich ausgestattet. Sowohl der Sandero Lauréate als auch der Clio Dynamique besitzen elektrisch einstell- und beheizbare Außenspiegel, elektrische Fensterheber vorne, höhenverstellbares Lenkrad sowie eine Zentralverriegelung mit Fernbedienung. Unser Clio war mit dem MP3-fähigen Klang- und Klimapaket ausgestattet, das es für 1500 Euro gibt. Es umfasst eine Klimaanlage und ein MP3-fähiges CD-Radio. Die Metalliclackierung schlägt mit 450 Euro zu Buche. Der Speziallack kostet beim Sandero ebenso viel. Ein – nicht MP3-fähiges – CD-Radio und eine Klimaanlage sind zusammen für 1250 Euro zu haben.

Ausstattung beim Clio etwas besser

Insgesamt haben wir unseren Vergleich so ausgelegt, dass die Preise der beiden Fahrzeuge fast gleich sind. Die Ausstattung ist indes beim Clio etwas besser, denn hier bekommt man zwei zusätzliche Airbags und Kurvenlicht. Außerdem ist hier die Liste der bestellbaren Optionen deutlich länger. Schwerer wiegt, dass ein ESP beim Sandero auch nicht gegen Aufpreis zu haben ist. Zu berücksichtigen ist ferner, dass der gebrauchte Clio nur noch ein Jahr Garantie hat, während ein neuer Dacia mit drei Jahren garantie lockt. In der Kategorie Ausstattung und Preis geht der erste Platz dennoch an den Clio – dass für den Sandero kein ESP verfügbar ist, erscheint uns nicht akzeptabel.


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