zurück zum Artikel

Der neue Renault Espace im Fahrbericht

Annäherung durch Wandel

Fahrberichte Jürgen Wolff
Renault

Der neue Espace läuft unter dem Label „Crossover“, was wohl nicht alle bisherigen Kunden gutheißen werden. Er „vereint SUV, Van und Limousine“ versucht Renault sprachlich den Spagat. Wie gut das gelungen ist, sollte eine erste Ausfahrt zeigen

Nimes, 8. April 2015 – Einst gehörte er zu den Mitbegründern seines Segments, nun soll er sich neu erfinden: Der Renault Espace stand seit 1984 für einen Van, der trotz überschaubarer Außenabmessungen innen viel Platz bot. Vorbei: Der Neue läuft unter dem Label „Crossover“, was wohl nicht alle bisherigen Kunden gutheißen werden. Er „vereint SUV, Van und Limousine“ versucht Renault sprachlich den Spagat. Wie gut das gelungen ist, sollte eine erste Ausfahrt zeigen.

Der Espace gehört zu den Modellen, die Renault in den vergangenen Jahren ziemlich stiefmütterlich behandelt hat. Das letzte, eher zaghafte Facelift war im Sommer 2012, die Basis reicht gar bis 2003 zurück. Jetzt hat Renault den Espace in der fünften Generation gründlich überarbeitet. Von „Van“ ist dabei keine Rede mehr, denn die einst so beliebten Familienautos sind bei Kunden längst nicht mehr so gefragt wie früher. Weitgehend verdrängt wurden sie von den SUV, deren Zulassungszahlen geradezu explodieren. Entsprechend müht sich Renault, den Espace marktkonform umzuwidmen. Mit welchem Erfolg, wird sich zeigen.

Lounge-Charakter

Dafür hat sich der Espace schon optisch gründlich verändert. Die kastenförmige Van-Architektur mit der schräg ansteigenden Front ist der bulligeren Optik eines großen SUV gewichen, mit deutlich abgesetzter Motorhaube, auf 160 mm erhöhter Bodenfreiheit und leicht coupéhaftem Dach. Mit 4,86 Meter ist er zwar in der Länge deutlich gewachsen, bietet aber durch die geringere Höhe deutlich weniger umbauten Raum. Anders als die Vorgänger gibt es den neuen Espace nur noch in einer Karosserieform. Bei einem Radstand von 2884 mm bietet der Innenraum immer noch reichlich Platz, für zwei Sitzreihen sowieso, aber auch auf den zwei zusätzlichen Sitzen in der dritten Reihe lässt es sich zumindest für Kinder halbwegs aushalten.

Im Fünfsitzer reicht der Laderaum für 680 Liter Gepäck, klappt man die Rücksitze um, stehen 2101 Liter zur Verfügung. Im ersten Espace von 1984 war das noch deutlich mehr: 850 bis 3000 Liter – bei einer Außenlänge von 4,37 m wohlgemerkt. Das Umklappen der Sitze ist im neuen Espace denkbar einfach: Über ein Tastenfeld innen neben der Heckklappe lässt sich jeder Sitz einzeln per Knopfdruck umlegen, wahlweise geht das auch über das zentrale Display. Die Zuladung passt mit knapp 740 Kilogramm zum üppigen Raumangebot.

Gewöhnungsbedürftig

Die Sitze selbst sind bequem und haben fast schon Lounge-Charakter. Was ihnen fehlt, ist ein bisschen mehr Seitenhalt und etwas mehr Sitzauflage. Eine ausziehbare Verlängerung gibt es immerhin gegen Aufpreis. Das Ambiente im Innenraum ist fast schon luxuriös. Die Materialien wirken ebenso hochwertig wie die Verarbeitung. Die bei den Automatikversionen teilweise frei schwebende Mittelkonsole ist ein Designstück für sich. Im Armaturenbrett endet sie in einer hochformatig ausgerichteten, iPad-großen Touchscreen, die als universale Befehlszentrale dient. Kaum etwas, was von dort nicht per Fingerwisch gesteuert werden kann: Vom Navi über die Soundanlage bis zur Neigung des Headup-Displays oder die Massagefunktion der Sitze und den Fahrmodus - dort läuft alles zusammen. Das hat den Vorteil, dass nahezu alles zentral konfigurierbar ist. Und den Nachteil, dass es erst einmal sehr gewöhnungsbedürftig ist, einiges an Lernaufwand erfordert und gelegentlich etwas umständlich ist und wenig intuitiv.

Das Doppelkupplungsgetriebe hat beim Diesel sechs, beim Benziner sieben gut abgestimmte Stufen. Den eleganten Hebel nach unten schieben: Vorwärts. Nach oben: Rückwärts. P-Taste drücken: Parken. So soll es sein. Über ein kleines Auswahlfeld unterhalb des Schalthebels lassen sich noch einmal Fahrzeug-Grundeinstellungen per Knopfdruck anwählen: „Neutral“ für die Werkseinstellung, „Comfort“, „Sport“, „Eco“ und „Perso“. Einstellbar ist nicht nur das reine Fahrverhalten: „Sport“ sorgt für ein sensibleres Ansprechverhalten des Gaspedals, straffere Federung, direktere Lenkung, höhere Drehzahlen beim Ausfahren der Gangstufen oder einen kernigeren, elektronisch generierten Sound im Benziner. „Comfort“ steht dagegen für eine eher weiche Federung, eine weniger direkte Lenkung oder weniger hektische Gangwechsel – ein bequemer Gleiter für lange Touren. Definiert werden können über die Fahreinstellungen auch Faktoren wie die Farbe der Ambiente-Beleuchtung und der Armaturen (Rot bei „Sport“, grün bei „Eco“), die Leistung der Klimaautomatik oder die Massagefunktion der Sitze.

Zwei Motoren mit drei Leistungsstufen bietet Renault für den Espace: Den 1,6-Liter-Diesel gibt es mit 96/130 PS und mit 118/160 PS, den Benziner mit 147 kW/200 PS. Serienmäßig mit Automatik sind allerdings nur die beiden stärkeren Espace unterwegs. Die bessere Wahl von diesen beiden ist der 160-PS-Diesel. Der bringt zwar 40 PS weniger an die Vorderräder, liefert subjektiv mit seinem maximalen Drehmoment von 380 Nm aber mehr Kraft. Und das aus niedrigerer Drehzahl heraus als der Benziner mit seinen maximalen 260 Nm.

Der Unterschied bei den realen Fahrwerten – Diesel von 0 auf 100 km/h in 9,9 Sekunden und 202 km/h Spitze, Benziner 8,6 Sekunden und 211 km/h Höchstgeschwindigkeit – ist im Alltag kaum erfahrbar. Der Verbrauch im NEFZ ist jeweils moderat: Der Diesel ist mit 4,7 Litern angegeben, der Benziner mit 6,2 Liter. Immerhin wollen rund 1,7 Tonnen Auto bewegt werden. Beide Motoren arbeiten kultiviert und leise und halten sich so akustisch eher im Hintergrund. Die ordentlich klingende Bose-Soundanlage mit zwölf im Innenraum verteilten Lautsprechern ist also keineswegs rausgeschmissenes Geld.

Nicht teurer als bisher

Ideal geeignet ist der neue Espace als Reise-Gleiter. Komfortabel, schnell, aufrüstbar mit Assistenzsystemen wie zum Beispiel einem adaptiven Tempomaten, der auf der Autobahn den Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug automatisch einhält, mit Verkehrszeichenerkennung, Park- oder Fernlichtassistent, dazu trotz der Größe einfach und agil zu fahren dank einer dynamischen Allradlenkung und dem adaptiven Fahrwerk. Dafür ist der Preis weitgehend auf gleichem Niveau geblieben: Der Espace dCi 160 EDC mit dem 160 PS starken Diesel ist ab 40.150 Euro zu haben. Der in etwa gleichstarke Van-Vorgänger stand zuletzt mit 41.340 Euro in der Liste.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-2595884